Zeigten Sensibilität und Variabilität

HERNE – Elegante Musik von Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) und Franz Schubert (1797-1828) für Violine und Klavier hat das zahlreich erschienene Publikum am 17. November in der Christuskirche in Herne gehört. Frank Dettke (Violine) und Jona Kümper (Klavier) präsentierten vier Sonaten, die, zu unterschiedlichen Zeiten komponiert, vieles gemeinsam hatten:  Das Klavier hatte wie die Solovioline einen eigenständigen Part, und alle Stücke waren „mit dem Herzen“ zu musizieren, also mit großer innerer Beteiligung, wie es der Violinist Frank Dettke formulierte. Sichtlich begeistert war er, dass er sich für dieses Konzert von einem Geigenbauer den Nachbau eines Bogens aus dem 18. Jh. ausleihen und so ganz authentisch musizieren konnte.

Die Sonate in g-Moll von C. Ph. E. Bach ließ Flötisten aufhorchen, war sie ihnen doch als Flötensonate von dessen Vater Johann Sebastian Bach bekannt. Es ist umstritten, wer dieses Werk mit den Sechzehntelfiguren im Klavier zum Thema der Flötenstimme im ersten Satz und den wunderbaren Gesangslinien im zweiten Satz komponiert hat. Frank Dettke und Jona Kümper entschieden sich dafür, es für ein Gemeinschaftswerk von Vater und Sohn zu halten, zumal bekannt ist, dass Bach Senior die neuen Strömungen in der Musik, die gegen Ende seines Lebens entstanden sind, gekannt und beherrscht hat.

Franz Schuberts Sonate für Klavier und Violine in a-Moll ist, was den musikalischen Stil angeht, nicht sehr weit von Bachs a-Moll-Sonate entfernt: Der Ton in der Begleitung ist etwas dramatischer, die beiden Instrumente tauschen öfter ihre Motivik aus. Allerdings ähnelt die Sonate im Aufbau einer Symphonie mit vier Sätzen, wobei der erste Satz der Sonatenhauptsatzform mit erstem und zweitem Thema mit Durchführung und Reprise folgt, woran sich ein liedhaftes Andante anschließt, dessen Thema immer vom Klavier vorgestellt und von der Violine wiederholt wird. Ein zupackendes Menuett mit einem zierlichen Trio bilden den dritten Satz, während der vierte Satz mit einer zweimaligen dramatischen Steigerung den krönenden Abschluss der Sonate bildet.

Es schloss sich mit der Sonate in F-Dur für Klavier und Violine wieder eine Komposition von C. Ph. E. Bach an, die viel mehr dem galanten und empfindsamen Stil entsprach, den man mit seiner Person verbindet. Der Hauptunterschied zu Schubert ist, wie Frank Dettke erläuterte, dass im ganzen Stück eine Grundstimmung herrscht, die es zu gestalten gilt und nicht, wie bei Schubert, ständig wechselnde Gefühlslagen auszudrücken sind. Zu hören waren noch weitere Unterschiede: So war der Klaviersatz akkordischer  und insgesamt nicht so vollgriffig gestaltet, Klavier- und Geigenstimme verzierte Bach reich mit Trillern und forderte große virtuose Fähigkeiten von beiden Solisten vor allem im dritten Satz, bei dem sich beide Instrumente auch oft im Dialog miteinander befanden.

Im Kontrast dazu begann Schuberts Sonate in g-Moll mit einem Unisono im Forte, dem sich das aufstrebende punktierte erste Thema in der Violine und das gesangliche, abwärts gerichtete zweite Thema im Klavier anschlossen, jeweils vom anderen Instrument begleitet. Bedingt durch die rhythmische Prägnanz des Themas kam es hier zu echter thematischer Arbeit, an der beide Instrumente beteiligt waren. Diese Sonate erinnerte an den späten Schubert mit ihrer Dramatik, den vielen harmonischen Veränderungen (z. B. das pianissimo-Thema in Des-Dur in der Durchführung des ersten Satzes) und der großen Ausdrucksvariabilität im Andante, einer Romanze in Form und Charakter, sowie durch die ständig wechselnde Führung der Instrumente.

Dass das Konzert die Zuhörer derart in den Bann schlug, lag auch an den beiden Interpreten, die mit großer Sensibilität und Variabilität, dazu äußerst virtuosem Können und großer dynamischer Bandbreite die vier Sonaten abwechslungsreich gestalteten. Frank Dettke, Lehrer an der Musikschule in Bochum und Mitglied der Ruhrgebietsband „Velvet“ sowie Jona Kümper, gefragter Solist, Begleiter und Continuospieler, dazu preisgekrönter Komponist, bildeten ein Duo, das in völliger Übereinstimmung die Werke vor den Ohren eines entzückten Publikums entstehen ließen und belohnt wurde mit nicht enden wollendem Beifall.