„Wir sollten sie nicht vergessen“

Herne. Am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag 77 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, gab es in Herne eine Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus. Aufgrund der Pandemieentwicklung war nur ein kleiner Kreis geladener Gäste am Shoah-Denkmal auf dem Willi-Pohlmann-Platz zusammen. Darunter waren Aaron Naor als Vertreter der jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen, Pfarrer Hans-Paul Ullrich in Vertretung von Superintendentin Claudia Reifenberger und sein katholischer Amtsbruder Georg Birwer sowie der Imam der islamischen Gemeinde Herne-Röhlinghausen Tuncay Nazik. Neben Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Verwaltung nahmen außerdem die Zeitzeugin Hanneke Schmitz sowie Pat und Peter van den Brink, deren Familienangehörige ermordet wurden, an der Gedenkstunde teil.

Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda betonte die große Bedeutung von kritischer Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dieser dunklen Epoche deutscher Geschichte: „Diese Aufgabe verjährt nicht und darf auch in pandemischen Zeiten nicht vernachlässigt werden.“ Gerade in Anbetracht der Corona-Spaziergänge der letzten Monate, die auch von Rechtsextremen genutzt würden, sei es unabdingbar, gegen Radikalisierung Stellung zu beziehen: „Ob auf der Straße, in den Online-Medien oder in der Politik gilt eine rigorose Unnachgiebigkeit gegen jegliche Form von Antisemitismus.“

Auch Pfarrer Hans-Paul Ullrich hob hervor, wie wichtig es sei, der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken und sich an „das dunkelste Kapitel unserer deutschen Geschichte“ zu erinnern: „Wollen wir Schritte in die Zukunft gehen, brauchen wir die Erinnerung“, sagte er und benannte die Gleichgültigkeit als große Gefahr. „Gleichgültigkeit entsteht dort, wo wir vergessen. Gott vergisst nicht. Als er Kain, den Mörder seines Bruders Abel, zur Rede stellt, sagt Gott: ‚Das Blut deines Bruders schreit zu mir!‘ So wie das Blut von Abel zu Gott schreit, so schreit das Blut aller Ermordeten zu Gott. Er vergisst sie nicht. Wir sollten sie auch nicht vergessen, damit wir nicht gleichgültig werden. Deswegen stehen wir am heutigen 27. Januar hier. Wer sich nicht erinnert, wer vergisst oder verdrängt, läuft Gefahr, zu überhören, wenn sich heute Hass und Menschenverachtung breit machen, wenn Menschen verfolgt werden, wenn sie beschimpft, verleumdet und mit dem Tod bedroht werden, weil sie anderen Glaubens oder anderer Überzeugungen sind.“

An eine Besonderheit in diesem Jahr erinnerte Dr. Frank Dudda darüber hinaus. Am 27. Januar 1942, vor genau 80 Jahren, begann die Deportation der jüdischen Menschen aus Herne mit dem Transport in das Ghetto Riga. Der Oberbürgermeister wies in diesem Zusammenhang auf einen öffentlichen Brief hin, den ihm die Tochter der 91-jährigen Zeitzeugin Esther Hochermann zugesandt hat. Hochermanns Eltern wurden 1942 zunächst ins Ghetto Riga verschleppt und 1944 im Konzentrationslager Stutthoff ermordet. Der Brief ist auf der Internetseite der Stadt Herne zu lesen. AR