„Wir brauchen Wohnraum - am besten möbliert“

Herne. Der gebürtige Ukrainer Konstantin Poliakov (39) war am 8. April zu Gast in der Lutherkirche der Petrusgemeinde. In einem „Impuls-Gottesdienst für das Wochenende“ hat er von dem Verhältnis der Ukraine zu Russland seit dem Ende der Sowjetunion (1991) und von der Lage nach dem Einmarsch russischer Truppen in sein Heimatland erzählt. Und er berichtete von der Hilfe, die er organisiert – „vom ersten Tag des Krieges an.“
Poliakov lebt seit 1994 in Deutschland und ist als selbstständiger Physiotherapeut in Herne tätig. Seine Heimatstadt ist Charkiw. „Als Bestandteil der Sowjetunion hat sich die Ukraine nie wohlgefühlt, und ohne Mütterchen Russland nahm dann die Entwicklung einen guten Lauf“, sagte er im Gespräch mit Pfarrerin Birgitta Zeihe-Münstermann. „Das Wachstum der Wirtschaft war beachtlich, europäische Investoren kamen ins Land, plötzlich waren alle krankenversichert, Universitäten wurden ausgebaut, und heute sitzen korrupte Politiker in der Ukraine sogar im Gefängnis.
Seit dem Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar 2022 ist alles anders. „Schon in der ersten Nacht riefen mich viele Leute an und fragten: Was können wir tun? Wie können wir helfen? Die Hilfsbereitschaft war überwältigend“, so Poliakov. Auch aus der Ukraine erreichten ihn zahlreiche Hilferufe, und er begann die Flucht von vielen zu koordinieren. „Wir sammelten Informationen über geeignete Fluchtwege, über Schlafmöglichkeiten, über den Standort russischer Truppen, über Fahrpläne von Zügen Richtung Westen und übermittelten alles in die Ukraine.“ Selbst Hilfesuchenden aus Charkiw („Wo finde ich denn noch medizinische Versorgung?“) konnte er helfen. „Wir haben ein großes Netzwerk aufgebaut – unsere Logistik in der Ukraine steht."
Jetzt geht es hauptsächlich um Hilfe vor Ort in Herne. „Wir brauchen Wohnraum - am besten möbliert“, sagte Poliakov. „Leere Wohnungen stehen zwar zur Verfügung, aber es fehlt halt immer an Herd, Spüle, Kühlschrank und Schlafgelegenheit.“ Ohne diese Grundausstattung sei eine Registrierung beim Einwohnermeldeamt nicht möglich. Und ohne Registrierung gebe es kein Geld von der Stadt für diese Grundausstattung. „Das Geld ist vorhanden, aber es fließt erst spät.“ Im Moment sei Menpower gefragt: Möbel schleppen, transportieren und aufbauen. „Wer dabei helfen kann und will, kann sich gerne an mich wenden.“
Da ukrainisches Geld (Griwna) in Deutschland nicht umgetauscht werden kann, entsteht ein anderes Dilemma: „Es ist eine Mentalitätsfrage für die ukrainischen Frauen. Sie wollen Spendengelder in Euro nicht annehmen, denn sie wollen nützlich sein; nicht auf Unterstützung angewiesen sein. Sie wollen das Geld verdienen.“ Und da Konstantin Poliakov all dies (und noch mehr) sehr detailliert schilderte, dauerte dieser Impuls-Gottesdienst keineswegs eine halbe Stunde wie sonst üblich. Dafür nahmen die Teilnehmer nach weit mehr als 60 Minuten einen ganz besonderen Impuls mit ins Wochenende. GM