„Unter dem Mantel Zuflucht finden“

Herne. „Wir sind palliativ!“ Unter diesem Motto hat der Förderverein Palliativstation im Evangelischen Krankenhaus Herne und Ambulanter Hospizdienst e.V. das Jubiläumsjahr 2022 am 8. März mit einem Gottesdienst in der Kreuzkirche eröffnet. Anschließend trafen sich Aktive, Wegbegleiter und Unterstützer der Palliativversorgung zu einem Empfang im Ludwig-Steil-Forum am Europaplatz. Darf man in Zeiten wie diesen ein Jubiläum überhaupt feiern? Kann Freude aufkommen angesichts der Corona-Toten und des russischen Angriffs auf die Ukraine? Diesen Fragen widmete sich Seelsorgerin Karola Rehrmann in ihrer Predigt. „Ja, denn palliative und hospizliche Versorgung ist ein Bekenntnis zu einem würdevollen Leben bis zuletzt“, sagte sie. Auch Jesus Christus habe sich allen Widrigkeiten trotzend stets für das Leben entschieden. „Am heutigen Tage leben wir alle gemeinsam – dem Kriege zum Trotz – eine Haltung vor, die von Respekt und Würde geprägt ist“, betonte der Vorsitzende des Fördervereins, Pfarrer Frank Obenlüneschloß.

Mit Fürbitten traten Anja Schröder, Koordinatorin im Ambulanten Hospizdienst, Dr. Katja Vogelsang als ärztliche Leiterin der Palliativstation und Pflegedienstleiterin Christine Heydecke vor den Altar. Sie baten um Schutz und Gottes Segen für die Patienten, ihre Angehörigen, die Mitarbeitenden und nicht zuletzt für die ehrenamtlichen Zeitschenker, die die Menschen am Ende des Lebens ambulant, im Heim oder auf der Palliativstation liebevoll begleiten.

„Sterbenskranken Menschen bis zum Lebensende ein Stück Lebensqualität zu schenken – das gelingt Ihnen seit 30 Jahren, das ist stark“, sagte der Herner Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda beim anschließenden Empfang in seinem Grußwort. Engagiert sicherte Hernes erster Bürger dem EvK und dem Förderverein seine persönliche Unterstützung bei der Erweiterung der Palliativstation zu. Er sage von Herzen Danke, nicht nur im Namen des Rates und der Verwaltung. Der Hospizdienst, die Palliativstation, das EvK und der Förderverein leiste tagtäglich etwas Besonderes. „Ich weiß aus vielen Briefen, dass Ihnen unendlich viele Hernerinnen und Herner dankbar sind für das, was Sie tun“, sagte Dudda. „Ohne Sie wäre unsere Stadt wesentlich ärmer.“

Seit Gründung der Palliativstation am EvK Herne vor 30 Jahren bis heute wurden rund 4000 Patientinnen und Patienten dort behandelt, zog Prof. Dr. Klaus Hackenberg, Gründer der Einrichtung und Ehrenvorsitzender des Fördervereins, Bilanz. Jede Palliativstation sei so gut wie ihre Mitarbeitenden, so Hackenberg und würdigte – in chronologischer Reihenfolge – namentlich die medizinisch, pflegerisch, beratend und seelsorgerisch Tätigen, aber auch die vielen und über Jahre treuen Ehrenamtlichen. „Ihre Hilfe ist unverzichtbar, Sie alle zusammen sind die wahren Helden“, so Hackenberg. „Sie prägen das Gesicht unserer Palliativstation – jeder auf seine Weise und mit viel Empathie.“ Er erinnerte an Martin Luther, der in dem Buch „Die Weisheit Salomons“ den Begriff „Gott“ als „Liebhaber des Lebens“ übersetzt habe. „Liebhaber des Lebens und der Menschen muss man sein, wenn man den Dienst auf der Palliativstation aushalten will, gepaart mit viel Kraft. Möge sie allen erhalten bleiben.“ Mit Blick auf die geplante Erweiterung der Palliativstation schloss der Mediziner: „Dafür wollen wir arbeiten, und darauf freuen wir uns.“

In ihrem Grußwort widmete sich Claudia Reifenberger, Superintendentin des Kirchenkreises Herne, dem Ursprung des Wortes „palliativ“. Es komme von dem lateinischen Begriff „pallium“, was so viel heiße wie Mantel. Das Motto „Wir sind palliativ“ gefalle ihr, so Reifenberger. Die drei Worte machten nämlich zweierlei deutlich. Erstens: Gemeinschaft trägt. Zweitens: Ein Mantel ist mehr als ein Mantel. „Schwerkranke Menschen werden umhüllt von einem Mantel der Geborgenheit“, so die Theologin. Das sei die Idee der „cura palliativa“. Dazu zähle die medizinische Versorgung, aber nicht nur diese. Ein Netzwerk, eine Gemeinschaft der verschiedenen Professionen sei hier am Werk: Ärztinnen und Pfleger, Seelsorgerinnen und Therapeuten, aber auch engagierte Ehrenamtliche vor Ort und solche, die Geld für die Sache spenden, und das seit Jahrzehnten. „Bring‘ den Mantel mit, sei palliativ, Gemeinschaft trägt“, sagte Reifenberger. „Gerne überbringe ich die Grüße des Evangelischen

Kirchenkreises Herne an alle, die den Mantel ausgebreitet haben, um todkranken Menschen Nähe, Wärme, Zugewandtheit und Geborgenheit zu schenken. Ich hoffe, dass Sie Ihren Mantel nicht nur teilen, um ihn an andere weiterzugeben, sondern auch, dass Sie selbst – und ich eingeschlossen – immer auch wieder unter dem Mantel anderer Zuflucht finden können.“ SSch