„Schulen bleiben für Mädchen geschlossen“

Herne. Am 5. April hat die Journalistin und Spiegel-Bestsellerautorin Natalie Amiri im Literaturhaus Herne Ruhr ihr Buch „Afghanistan. Unbesiegte Verlierer“ vorgestellt. Nach einem einführenden Filmausschnitt erzählte Amiri in einer Talkrunde mit Verena Geiger vom Literaturhaus und Martin Domke, dem Leiter des Eine Welt Zentrums im Kirchenkreis Herne, von ihrer Reise nach Afghanistan im Herbst des vergangenen Jahres. Sie wollte sich selbst ein Bild davon machen, wie es den Menschen nach der Machtübernahme durch die Taliban geht. Für Natalie Amiri ist es angesichts der Not im Lande schlicht dramatisch, dass die Aufmerksamkeit schon wenige Monate nach den dramatischen Bildern von Fluchtwilligen am Flughafen in Kabul, die Ende August um die Welt gingen, erloschen ist.
Auf der einen Seite herrsche paradoxerweise nun Sicherheit im Land, weil die Taliban keine Anschläge mehr verüben. Aber was sie sonst gesehen habe, sei eine humanitäre Katastrophe: Menschen fehle es am nötigsten, überall gebe es Hunger. Seit der Machtübernahme der Taliban habe der Westen die Nahrungsmittelhilfe eingestellt, Afghanistan aus dem SWIFT-Zahlungssystem ausgeschlossen und das Auslandsvermögen eingefroren. Frauen werden aus dem öffentlichen Leben verbannt, Schulen bleiben für Mädchen geschlossen. „Der Westen hat viele Menschenleben und Billionen Dollar eingesetzt, die Taliban zu bekämpfen, nur um am Ende den Taliban wieder die Macht zu überlassen“, sagte Natalie Amiri. Mit ihnen jetzt überhaupt nicht verhandeln zu wollen, verschlimmere die Lage für Betroffene noch mehr.
Als Amiri im August 2021 versucht habe, Frauen zur Ausreise zu verhelfen, die für freie Medien gearbeitet oder auf andere Weise westliche Werte vertreten haben, sei sie gescheitert. Die Listen, die sie mit den Namen der Schutzbedürftigen nach Deutschland geschickt hatte, seien im Dschungel einer blinden Bürokratie einfach untergegangen. Das aber ist für Amiri nur ein Beispiel der vielen Versäumnisse deutscher Außenpolitik. Sie überlasse jetzt den radikalen Gruppen aus Pakistan das Feld. So stehe Afghanistan für ein völliges Versagen Deutschlands, der USA und Europas. Zu leiden hätten nun Millionen Frauen und Kinder, und das wohl auf lange Sicht. AR/MD