Kirchen setzten deutliches Zeichen

Herne. Was immer das Ziel der Morddrohungen gegen Pfarrerin Melanie Jansen war – Einschüchterung haben sie jedenfalls nicht bewirkt. Im Gegenteil: Rund 450 Menschen sind am 22. Januar auf den Europaplatz gekommen, um für ein friedliches Miteinander in Herne zu beten. Pfarrer Meinolf Mika von der St. Dionysius-Gemeinde leitete den Ökumenischen Gottesdienst, Superintendentin Claudia Reifenberger hielt die Ansprache, Imam Ibrahim Tuncay von der islamisachen Gemeinde Röhlinghausen trug eine Sure aus dem Koran vor, Kreiskantor Wolfgang Flunkert sorgte für die musikalische Gestaltung und begleitete die Lieder.

„Es geht jetzt erst recht darum, sich weiter und noch intensiver für den Frieden in der Stadt einzusetzen“, hatte Claudia Reifenberger betont. Viele Pfarrerinnen und Pfarrer beider Konfessionen trugen während der Veranstaltung ihren Talar – um als Kirchen erkennbar zu sein und ein deutliches Zeichen der Solidarität mit ihrer Kollegin Melanie Jansen und gegen jede Form von Gewalt zu setzen. Auch Vertreter der westfälischen Landeskirche waren nach Herne kommen, um ihre Unterstützung zu bekunden. Zudem nahmen auch Vertreter aus dem Rat der Stadt mit Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda und auch Michelle Müntefering an dem Gebet teil.

„Woher kommt diese Wut, woher dieses Verlangen jemanden auszumachen, der schuld sein muss?“ Mit dieser Frage eröffnete Superintendentin Claudia Reifenberger ihre Ansprache. Aufgeheizte Stimmung verleite dazu, einfache Antworten oder Schuldige zu suchen. Auch Jesus habe es mit einer aufgeheizten Stimmung zu tun gehabt, als der Mob von ihm forderte, eine Ehebrecherin zu bestrafen. Seine Aussage mitten in die aufgeheizte Stimmung – „Wer von euch ohne Schuld ist, soll den ersten Stein auf sie werfen“ – habe den Blick der Leute verändert. Sie seien gegangen, umgekehrt, wissend, dass keiner frei ist von Schuld. Das Friedensgebet nannte sie eine „heilsame Unterbrechung, die auch die coronageplagte ‚Normalbevölkerung‘ nötig hat, um den eigenen Blick in der Pandemie neu zu justieren“, sagte sie. „Damit wir neue Kraft empfangen können, Unrecht beim Namen zu nennen und uns einzusetzen für das Leben.“

Vor der Superintendentin hatte die Jugendleiterin Alanur Davulcu aus der islamischen Gemeinde Röhlinghausen einen Text vorgetragen, der von der gegenseitigen Liebe der Menschen und der Gottesliebe handelte, „einer Liebe, die für uns alle reicht, gleich welchen Glaubens.“ Unterbrochen wurden die Gebete und Texte von Liedern; nach dem gemeinsamen Vaterunser und dem Abschlusslied „Herr gib uns deinen Frieden“ trat Melanie Jansen ans Mikrofon und dankte den vielen Menschen für ihre Solidarität. Gleichzeitig lud sie zum Zug über die Bahnhofstraße und zum nächsten Friedensgebet am kommenden Samstag um 11 Uhr vor der Kreuzkirche ein.

Im Anschluss an den Gottesdienst gingen die Teilnehmenden geschlossen über die Bahnhofstraße zur Kundgebung am Robert-Brauner-Platz. Dort nahmen die Mitglieder des Bündnis Herne die Menschen unter Beifall in Empfang. Auf ihrem Weg durch die Innenstadt kamen der Gruppe knapp 20 demonstrierende Gegner der Corona-Maßnahmen entgegen. Über Lautsprecher forderten sie unter anderem den Maskenzwang aufzuheben und verglichen das Maskentragen mit dem Hitlergruß.
Parallel finden die Samstags-Aktionen an drei Orten in der City statt. Die Gruppe der „Schirme gegen Rechts“ halten eine Mahnwache am Shoah-Mahnmal, das „Bündnis Herne für ein solidarisches Miteinander“ lädt zur Kundgebung am Robert-Brauner-Platz und vor der Kreuzkirche am Europaplatz findet das Ökumenische Friedensgebet statt – organisiert von Evangelischer Kreuz-Kirchengemeinde, Katholischer Kirchengemeinde St. Dionysius und Islamischer Gemeinde Röhlinghausen. AR