„Kinder brauchen Wurzeln und Flügel“

HERNE – Im Jahr 1976 hat Birgit Dudda-Petersohn ihre Stelle als Anerkennungspraktikantin im Kindergarten an der Diedrichstraße in Horsthausen angetreten; bereits zwei Jahre später hat sie im Alter von 21 Jahren die Leitung übernommen. Jetzt hat sie sich – Corona bedingt „inoffiziell“ – verabschiedet, denn am Ende dieses Jahres ist Schluss. Die 63-Jährige geht am 1. Januar 2021 in den Ruhestand.
 

Frau Dudda-Petersohn, wegen Corona konnte es kein großes Fest geben. Ich hoffe, Sie hatten nach so langer Zeit dennoch einen würdigen Abschied!

Dudda-Petersohn: Es ist schon anrührend, wie viele Menschen sich bei mir bedanken und mir gute Wünsche für die Zukunft übermitteln. Viele haben mein Berufsleben über Jahre und Jahrzehnte begleitet. Ehemalige Kindergartenkinder haben mittlerweile ihre eigenen Kinder bei uns. Und auch aus den verschiedenen Institutionen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, erhalte ich viele wertschätzende Rückmeldungen. Das tut gut


Wenn Sie zurückblicken auf Ihre Anfangszeit – sind Dreijährige heute anders als vor 40 Jahren?

Dudda-Petersohn: Ja und nein. Kinder sind heute immer noch neugierig, lustig und quicklebendig wie früher auch. Aber ich bin immer wieder erstaunt, wie selbstverständlich Kinder heute mit technischen Sachen aufwachsen, Handys, Fernbedienungen usw. Allerdings brauchen heute vielmehr Kinder Unterstützung für ihre Entwicklung, z.B. in der Motorik, Sprache und auch im sozialen Miteinander.


Und was hat sich bei der alltäglichen Arbeit im Vergleich zu Ihrer Anfangszeit geändert?

Dudda-Petersohn: Kinder haben heute eine viel längere Kindergartenzeit. Während sie früher maximal drei Jahre einen Kindergarten besucht haben, sind es heute manchmal fünf Jahre. Und auch die tägliche Betreuungszeit hat sich deutlich verlängert, die Kinder bleiben heute teilweise neun Stunden täglich bei uns und erhalten ein warmes Mittagessen.

Aber auch die Anforderungen an das pädagogische Personal haben sich gravierend verändert. Erfreulicherweise hat die frühe Bildung heute endlich einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft als früher. Und auch Corona hat noch einmal gezeigt, wie wichtig die Kindergärten sind und wie entscheidend wir die Familien entlasten und unterstützen.


Was sollen Eltern Ihrer Ansicht nach in der Erziehung auf jeden Fall beherzigen?

Dudda-Petersohn: Kinder brauchen Wurzeln und Flügel. Eltern sollten klare Regeln und Werte vorgeben und keine Angst haben, ein „Nein“ auszusprechen. Und dies auch nur einmal begründen und nicht in die „Diskussionsfalle“ tappen. Gleichzeitig brauchen Kinder viele Möglichkeiten, etwas auszuprobieren und Fehler machen zu dürfen. Hier eine gute Balance zu halten, ist nicht immer einfach, aber eine gute Grundlage für die Erziehung der Kinder.


Was von Ihrer Arbeit wird Ihnen am meisten fehlen?

Dudda-Petersohn: Der Kontakt zu den Kindern. Ich habe immer gewusst, es ist der richtige Beruf für mich. Auch wenn ich die letzten Jahre weniger in den Gruppen gearbeitet habe, kommen viele Kinder zu mir ins Büro, um mir etwas Wichtiges zu erzählen, sich ein Pflaster zu holen oder zu sagen, dass ihnen kalt ist. Dann muss man eben Mützen oder Handschuhe raussuchen.

Es ist einfach interessant und schön zu beobachten, wie sich oft aus ängstlichen Kindern nach und nach selbstbewusste Persönlichkeiten entwickeln.


Worauf freuen Sie sich im Ruhestand am meisten?

Dudda-Petersohn: Weniger Verantwortung und Pflichten zu haben. Ich hoffe, dann mehr Zeit mit der Familie und Hobbys wie Radfahren, Reisen und Lesen verbringen zu können.