"Ist Corona Gericht Gottes?"

In loser Reihe fragen wir verschiedene Menschen nach ihrer Meinung zu Corona, den Maßnahmen und den Folgen. Zuletzt hat Superintendent Reiner Rimkus Stellung genommen:

Unsere Kirche: Herr Rimkus, es soll Menschen geben, die verstehen den Corona-Virus als Strafe oder Gericht Gottes, weil die Menschen ihre Verantwortung füreinander und für die Schöpfung nicht genügend wahrgenommen hätten. Wie sehen Sie das?

Rimkus: Für mich zeigt sich in Corona nicht das ‚Gericht Gottes‘ – der Mensch hat sich das selber ‚angerichtet‘, obwohl es schon vorher mahnende Stimmen gab. Alle Verschwörungstheorien in diesem Zusammenhang finde ich nur absurd!

UK: Bereits seit gut zwei Monaten leben wir mit nie dagewesenen Beschränkungen. Sind nicht gerade für das Gemeindeleben persönliche Kontakte unersetzlich?

Rimkus: Grundsätzlich JA! Aber der eine Gottesdienst letztens in einer Frankfurter Gemeinde, in dem ohne Schutzmaske gefeiert und auch gesungen wurde, wodurch sich über 100 Personen infiziert haben, zeigt, welche große Verantwortung die Kirchen hier haben und dass Vorsicht, Zurückhaltung und Achtsamkeit nötig sind.
Und: Es werden Alternativen geboten, die Gemeinschaft anders – oft digital – ermöglichen und die hoffentlich mit der Rückkehr zu ‚alten Begegnungsformen‘ nicht einfach wieder aufgegeben werden.
Aber natürlich warten wir alle nach dem – in meinen Augen berechtigterweise – vorsichtigen Beginn der Gottesdienste wieder auf die ‚volle Gemeinschaft‘ und damit auch auf die erste Abendmahlsfeier.
Aber diese Zeiten zeigen, dass eigentlich nichts selbstverständlich ist und wir als Kirche – auch unverhofft – herausgefordert werden, unter veränderten Bedingungen trotzdem lebendige Kirche zu bleiben.

UK: Schulen und Kindergärten weiten in diesen Wochen Unterrichts- und Betreuungszeiten aus, wann öffnen die Gemeindehäuser für Gruppen, und wann geht es mit dem Kirchlichen Unterricht weiter?

Rimkus: Grundsätzlich möchte ich zunächst feststellen, dass ‚Corona‘ noch nicht vorbei ist und wir hier in Deutschland nur nicht in der ‚wirklichen Epedemie‘ gelandet sind (wie z.B. Italien), weil wir gerade noch rechtzeitig unsere Schutzkonzepte ‚hochgefahren‘ haben.
Mich macht es schon fassungslos, wie unverständig oder gar aggressiv Menschen auf Beschränkungen reagieren.
Meines Erachtens können sich bereits jetzt Gemeindegruppen in der Kirche und damit im Rahmen des für Gottesdienste geltenden Schutzkonzeptes treffen. Ich habe aber auch deutlich angeraten, den ‚üblichen Gemeindehausbetrieb‘ nicht vor den Sommerferien wieder aufzunehmen und erst für die Zeit nach den Sommerferien zu planen – je nachdem, welche Kontaktbeschränkungen noch oder wieder gelten sollten. Insgesamt sollten wir uns nicht an einem ‚Lockerungswettbewerb‘ beteiligen!

UK: Was sollte die Gesellschaft aus der Corona-Krise lernen? Gibt es aus Ihrer Sicht etwas, das sich nachhaltig ändern muss – im Verhalten jedes Einzelnen aber auch gesellschaftlich?

Rimkus: Wir haben unser unbeschränktes Leben sehr selbstverständlich und oft wenig dankbar beansprucht. Viele Menschen, die es sich leisten können, haben sich an ein ‚grenzenloses Leben‘ gewöhnt. Ich fahre (oder besser: fliege), wohin und so oft ich möchte. Ich konsumiere nach Lust und Laune, ohne mich z.B. mit der Frage nach den Herstellungsbedingungen der Ware zu beschäftigen, oder – gerade ganz aktuell – auf die Haltungsform des gekauften Grillgutes zu achten oder auf den Umgang mit den Beschäftigten in der Fleischindustrie.
Corona zeigt uns, dass eigentlich nichts selbstverständlich ist, dass wir mit mehr Dankbarkeit und Verantwortung durchs Leben gehen sollten. Ich hoffe, dass es hier wirkliche Lerneffekte gibt und nicht einfach wieder auf ‚Vorkrisenmodus‘ geschaltet wird.
Was jetzt gar nicht geht, ist, dass manche Menschen Corona auf üble Weise für sich und ihre Interessen nutzen und z.B. wesentliche Rückschritte beim Klimaschutz verlangen. Es ist schon kriminell, dass ‚im Schutz von Corona‘ so viel Regenwald abgeholzt worden ist, wie schon lange nicht mehr. Ich hoffe, dass ‚Fridays for future‘ diesbezüglich bald wieder mit voller Kraft aktiv wird, aber auch jeder Einzelne deutlicher seine Verantwortung in dieser einen Welt wahrnimmt und für Gerechtigkeit und Würde bei Mensch und Tier eintritt.