In Herne ist jede fünfte Person überschuldet

HERNE – Die Schuldnerberatung des Kirchenkreises Herne hat ihren Jahresbericht 2020 vorgelegt. Auch hier spielt Corona aus verschiedenen Gründen eine Hauptrolle. Denn auch wenn pandemiebedingte Überschuldungen infolge Insolvenz oder Kurzarbeit noch nicht zu einem Anstieg der Beratungsfälle geführt haben, geht Geschäftsführerin Andrea Leyk davon aus, „dass das im Jahr 2021 der Fall sein wird, wenn Rücklagen verbraucht sind und Einkommensausfälle nicht mehr kompensiert werden können.“
Auch die Beratungstätigkeit wurde durch Corona vor Probleme gestellt. „Schuldnerberatung versteht sich als Soziale Arbeit, in der das persönliche Gespräch Grundlage einer erfolgreichen Beratung ist“, so Leyk. Während im ersten Lockdown Beratungsgespräche telefonisch oder online geführt wurden, kommen die Klienten seit Sommer des letzten Jahres wieder in die Beratungsstelle im Kreiskirchenamt – unter Einhaltung strenger Infektionsschutzregeln.
Insgesamt sind in Deutschland 6,85 Millionen Menschen überschuldet – also knapp zehn Prozent der Bevölkerung. In Herne ist die Quote fast doppelt so hoch: Beinah jeder fünfte ist hier so hoch verschuldet, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann. Die Höhe der Gesamtverschuldung der 669 beratenen Klienten der Schuldnerberatung betrug 2020 knapp 16 Millionen Euro, was einer durchschnittlichen Verschuldung von gut 27000 Euro entspricht. Die Mitarbeitenden haben für die Verfahren dieser Personen mit über 8000 Gläubigern Kontakt aufgenommen.
In den genannten 669 Betreuungen sind 85 Beratungen zum Pfändungsschutzkonto, kurz P-Konto, enthalten. Das Pfändungsschutzkonto (kurz: P-Konto) ist das Girokonto einer natürlichen Person in Deutschland, das wie alle anderen Konten auch durch Gläubiger pfändbar ist. Geschützt bleibt aber ein monatlicher pfändungsfreier Betrag in Höhe von knapp 1200 Euro. Damit bleibt dem Schuldner das Existenzminimum und ermöglicht ihm den bargeldlosen Zahlungsverkehr. „Das P-Konto gilt zehn Jahre nach seiner Einführung als akzeptiert und ist ein unentbehrliches Instrument für die Grundsicherung von überschuldeten Menschen“, sagt Andrea Leyk.
„Die Ursachen für eine Überschuldung sind vielfältig – und nur in den wenigsten Fällen selbstverschuldet“, so Leyk, die als „big six“ Arbeitslosigkeit, Erkrankung, Trennung, unwirtschaftliche Haushaltsführung, gescheiterte Selbstständigkeit und längerfristiges Niedrigeinkommen nennt. „Vor allem bei den beiden letzten Punkten erwarten wir eine pandemiebedingte Steigerung, die zu mehr Beratungsbedarf führen wird.“ AR