Forderung nach Corona-Zuschlag

HERNE – Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstags am 30. Oktober haben auch das Zeppelin-Zentrum und das Arbeitslosenzentrum der katholischen Kirche für auskömmliche Regelsätze, die ein menschenwürdiges Leben garantieren, demonstriert. „Leider hört man in diesen Tagen zumeist nur, dass die Regelsätze im Januar erhöht werden und nicht, dass es sich dabei um eine unzureichende Anpassung handelt“, sagte Dagmar Spangenberg-Mades, Leiterin des Zeppelin-Zentrums, dem Arbeitslosenberatungs- und Begegnungsstätte des Kirchenkreises Herne.

„Die Sozialleistungen bei Hartz IV in der Sozialhilfe und in der Grundsicherung im Alter setzen sich aus sogenannten Regelleistungen und angemessenen Kosten für die Unterkunft zusammen“, erläuterte sie. „Diese Leistungen lagen 2018 für Singles 256 Euro unterhalb der Armutsschwelle, was vor allem daran liegt, wie die Regelsätze ermittelt werden.“ Dabei orientiere man sich an den ärmsten 15 Prozent der Bevölkerung, die rund 600 Euro für den täglichen Bedarf und die soziokulturelle Teilhabe zur Verfügung haben. „Von diesen 600 Euro streicht die Regierung 160 Euro als nicht relevant“, führte Spangenberg-Mades aus. „Für nicht relevant hält man z.B. die Ausgaben für Zimmerpflanzen, für einen Weihnachtsbaum, für Malstifte oder ein Eis.“ So zusammen gekürzt beträgt der Regelsatz für einen Alleinstehenden ab Januar 446 Euro, für Partner jeweils 401 Euro und für Kinder je nach Altersstufe zwischen 283 und 373 Euro. Das Kindergeld wird hierbei als Einkommen angerechnet, d.h. es reduziert die Leistung.

„Deshalb werden die Regelsätze auch weiterhin unter der Armutsschwelle liegen“, ergänzte Franz-Josef Strzalka vom Arbeitslosenzentrum Herne e.V. „Dies betrifft bundesweit 7 bis 8 Millionen Menschen jeden Alters und in verschiedenen Lebenssituationen – Familien mit Kindern genau sowie Rentner, Erwerbslose und Menschen, deren Erwerbseinkommen nicht ausreicht und durch Hartz IV aufgestockt werden muss.“ Indirekt seien noch viel mehr betroffen: „Denn was viele nicht wissen ist, dass sich auch die Höhe des steuerfrei zu lassenden Existenzminimums für Erwerbstätige und Rentner nach der Höhe des Regelsatzes bemisst, d.h. je höher der Regelsatz, umso höher der Steuerfreibetrag.“

Dagmar Spangenberg-Mades wies darauf hin, dass auch ein Corona-Zuschlag für krisenbedingte Mehrausgaben abgelehnt wurde. Dabei werde negiert, dass die Lebensmittelpreise krisenbedingt angestiegen sind und Mehrausgaben für Hygieneartikel, Desinfektionsmittel und Masken hinzukamen. Außerdem schlossen vieler Orten Tafeln, Mittagstische und Kleiderkammern und das kostenlose Schul- und Kitaessen fiel wegen des Lockdowns für die Kinder weg. „Ein solcher Zuschlag könnte auch wirtschaftliche Notlagen abfedern, die entstehen, weil in den Jobcentern keine persönliche Vorsprachen möglich sind, was nicht selten dazu führt, dass es zu Verzögerungen bei der Zahlung und zu Leistungskürzungen kommt, die von den Betroffenen nicht zu vertreten sind“, so Spangenberg-Mades.

Darum stellten die Leiter beider Einrichtungen fest: Armut und Ausgrenzung zu begegnen, ist auch eine Frage von Gerechtigkeit und der Verteilung. „Dem armen Teil der Bevölkerung stehen beispielsweise die 100 Reichsten dieses Landes gegenüber, die über mehr als 500 Milliarden Euro Vermögen verfügen“, beklagten beide unisono. Deshalb lautet ihre Forderung, die Regelsätze auf mindestens 600 Euro zu erhöhen. Auf Grund der Corona-Pandemie fordern sie einen Corona-Zuschlag und die sofortige Ausstattung ärmerer Haushalte mit digitalen Endgeräten, damit sie mit Schule oder Sozialleistungsträgern kommunizieren können.

Bei der Aktion auf dem Robert-Platz machten Spangenberg-Mades und Stzralka zum wiederholten Mal auf diesen Missstand aufmerksam und präsentierten auch wieder das Hartz-Wald-Häuschen, um zu demonstrieren, wie wenig Geld die Regelleistungen monatlich vorsehen, z.B. 7,54 Euro für Schuhe für Jugendliche oder 1,56 Euro als Ansparbetrag für eine Waschmaschine. Außerdem sammelten sie Unterschriften für eine entsprechende Petition an den Deutschen Bundesrat. Trotz des stürmischen Wetters fand die Aktion sehr gute Resonanz. DSM