„Die Arbeit bleibt in guten Händen“

Herne. Viele kennen ihn vom Sehen. Gehörlose verstehen ihn auch – wenn er mit Gebärden erzählt oder übersetzt. Jetzt ist er nach 35 Jahren als Gehörlosenseelsorger des Diakonischen Werks Herne in den Ruhestand gegangen. Die Rede ist von Martin Ruhmann (*4.11.1955), der dieses Amt 1987 von Friedrich Förster übernommen hat. Zuvor war der gebürtige Herner nach dem Studium der Sozialarbeit, Diakonenausbildung und Anerkennungsjahr im Diakonischen Werk Recklinghausen in zwei Schwelmer Gemeinden in der Kinder- und Jugendarbeit tätig.

Als dann die Anfrage aus seiner Heimatstadt kam, musste Ruhmann nicht lange überlegen: „Hier konnte ich Allgemeine soziale Beratung, Seelsorge und Verkündigung verbinden“, sagt er. „Das war das, was ich immer wollte.“ Seine Klientinnen und Klienten waren in erster Linie die Gehörlosen. „Gehörlose haben ein Kommunikationsproblem im Umgang mit Hörenden und auch mit ihrer Schriftsprache“, bringt Ruhmann es auf den Punkt. Von daher besteht hier ein großer Beratungsbedarf, etwa im Umgang mit Behörden und Ämtern.

Um selbst mit den Gehörlosen kommunizieren zu können, lernte Martin Ruhmann die Gebärdensprache. „Das ging nur autodidaktisch – Gebärdensprachkure gab es noch nicht, weil die Gebärdensprache noch nicht offiziell anerkannt war“, erinnert sich der 66-Jährige. Erst 2002, mit dem Gleichstellungsgesetz, bekamen Gehörlose ein Anrecht auf eine eigene Sprache. Bis dahin sei es bei der „Förderung“ von Gehörlosen darum gegangen, sie in die „hörende Welt“ zu integrieren: „Sie sollten lernen, Worte von den Lippen abzulesen, Texte wurden auf Leinwände geworfen, sie sollten sie mitlesen“, nennt Ruhmann einige Formen des Umgangs. „Als mit Benno Weiß ein Kind gehörloser Eltern landeskirchlicher Beauftragter Gehörlosenseelsorge in Westfalen wurde, bekam die Gebärdensprache auch in der Kirche – etwa in Gottesdiensten – den ihr angemessenen Stellenwert.“

Wichtig waren Martin Ruhmann neben der Beratung immer auch Verkündigung und Seelsorge. Etwa 160 Gehörlose gibt es in Herne, rund 100 von ihnen besuchen die Angebote der Gehörlosengemeinde. „Es gibt neben dem Freitagstreff verschiedene Aktivitäten wie Fußball, Drachenbau oder Angeln“, erzählt Ruhmann. Daneben gibt es einmal im Monat in der Kreuzkirche einen Gottesdienst für Gehörlose und neuerdings auch einen so genannten Laut- und Leise-Gottesdienst für Hörende und Gehörlose. „Das Diakonische Werk Herne hat meine Arbeit verantwortet und sie auch finanziell all die Jahre unterstützt“, ist Ruhmann seinem Arbeitgeber dankbar.

Der frisch gebackene Ruheständler freut sich, dass seine Arbeit weitergeht. Pfarrerin Katja Lueg ist mit der Hälfte ihres Dienstumfangs für die Gehörlosenseelsorge zuständig und Sozialarbeiter Lennart Langkau hat im Diakonischen Werk Gehörlosenberatung und die gesetzliche Betreuung von Gehörlosen übernommen. „Ich weiß meine Arbeit in guten Händen, was mir das Loslassen leicht macht“, sagt Ruhmann. Wenn er gefragt ist – etwa als Dolmetscher in Gottesdiensten –, wird er auch weiterhin hier oder da zu sehen sein. Jetzt freut er sich aber zunächst auf mehr Zeit für Hobbys wie Gitarre, Tischtennis, Badminton spielen oder Paddeln. „Außerdem werde ich bald Opa, es passt also perfekt mit dem Ruhestand.“ Martin Ruhmann ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. AR