"Inklusion und Ökumene bedeuten für mich über den Tellerrand hinauszublicken."

#Nachgefragt. Inklusion gehört zu unserem kirchlichen Auftrag, ist doch jeder Mensch – unabhängig von seinen Begabungen, Handicaps, Hautfarbe etc. – nach biblischem Verständnis als Gottes Ebenbild geschaffen. Zum Thema „Inklusion“ haben wir eine kleine Interviewreihe gestartet. Zuletzt stand uns Joakim Bull, 26 Jahre alt, Rede und Antwort. Seit 2019 ist er als Gemeindereferent in der Pastoral tätig für die katholische Pfarrei St. Dionysius in Herne. Zu seinen Schwerpunkten gehören unter anderem die Erstkommunion- und Firmvorbereitung, die Mitarbeit im Pfarrgemeinderat, die Redaktion unseres Kirchenmagazins DIO!, das Vorbereiten und Gestalten von Gottesdiensten, wie zum Beispiel Schulgottesdiensten, sowie die Mitarbeit beim inklusiven Gottesdienst. Wir haben #nachgefragt..


Unsere Kirche: Joakim - Wie bist du zum (christlichen) Glauben gekommen?
Joakim Bull: In meiner Familie gehörte der christliche Glaube zum Alltag. Ich bin damit groß geworden regelmäßig zur Kirche zu gehen und mich in der Gemeinde ehrenamtlich zu engagieren. Für mich war das alles selbstverständlich und ich habe es wenig hinterfragt. Erst als ich zuhause ausgezogen bin, um ein FSJ zu machen, habe ich gemerkt, dass ich selbst aktiv werden muss, wenn ich mich weiter mit meinem Glauben auseinandersetzen will. Das habe ich getan und mich dann sogar dazu entschieden in diesem Bereich zu studieren und einen Beruf auszuwählen, der meinen Glauben thematisiert.

UK: Gibt es eine Bibelstelle, die dir etwas bedeutet?
Bull: Davon gibt es viele. Eine, die mich im Moment besonders anspricht ist die vom „ungläubigen“ Thomas. (Joh 20, 19-29) Er ist zunächst einmal skeptisch, als seine Freunde ihm erzählen, Jesus sei auferstanden. Er will erst den Finger in die Wunde legen, bevor er glauben kann. Als Jesus ihm dies anbietet, braucht Thomas jedoch die Berührung nicht. „Mein Herr und mein Gott“, sagt Thomas zu Jesus und ist damit der erste, der benennt, dass Jesus auch Gott ist. Ich kann mich gut mit diesem Thomas identifizieren: Ich bin erstmal skeptisch und hinterfrage viel. Dies nimmt mir jedoch nicht meinen Glauben an Jesus als wahren Menschen und wahren Gott.

UK: Hast du manchmal, wenn du mit Behinderung konfrontiert bist, Zweifel im Glauben (gehabt)?
Bull:
Nein. Diese Konfrontation spornt mich im Glauben eher an. Es ist nicht immer einfach zu erkennen und zu akzeptieren, dass Gott jede*n von uns Menschen über alles liebt und jede*n von uns durch und mit dieser Liebe erschaffen hat. In der Konfrontation mit sogenannten Behinderungen wird oftmals bewusst, wie individuell jeder Mensch ist und wie wichtig es ist, diese Individualität zu schätzen.

UK: Wie bewertest du den Zusammenhang von Sünde und Krankheit/Behinderung?
Bull:
Ich erkenne darin keinen Zusammenhang. Für mich ist die Sünde all das, wo ich mich bewusst gegen Gott entscheide. Wo ich mich von ihm abwende. Diese Entscheidung treffen wir als Menschen immer wieder in unserer Freiheit. Ich sehe es als wiederkehrende Herausforderung in meinem Leben dies zu erkennen und jedes Mal mein Bestes zu geben, um mich Gott wieder zuzuwenden und seine Nähe zu suchen. Wenn Menschen krank werden oder eine sogenannte Behinderung haben, dann haben sie sich nicht bewusst dafür entschieden.

UK: Welche Barrieren erlebst du und wie gehst du damit um?
Bull:
Ich kann sehen, sprechen, laufen, wohne in einem der wohlhabendsten Länder der Welt und bin damit reich beschenkt. Ich möchte mir immer wieder bewusst machen, dass nicht jede*r diese Privilegien besitzt. Leider gibt es auch in einem so wohlhabenden Land wie Deutschland noch viel zu viel Ausgrenzung, Diskriminierung und Ungerechtigkeit. In meinem persönlichen Umfeld versuche ich (und das gelingt leider nicht immer) dagegen vorzugehen. Ich denke aber auch, dass noch viel mehr Barrieren auf struktureller Ebene aus dem Weg geräumt werden müssen, um eine größtmögliche Partizipation und Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu realisieren.

UK: Hast du durch deinen Glauben einen anderen Blick auf Inklusion?
Bull:
Für mich geht christlicher Glauben nicht ohne Inklusion. Jesus hat sehr inklusiv gedacht und gehandelt: Menschen, die keinen Anteil an der Gesellschaft hatten, die ausgegrenzt wurden, die krank oder in irgendeiner Form benachteiligt waren, hat er in den Mittelpunkt gestellt und ihnen viel Leid genommen. Nach diesem Vorbild versuche ich meinen Glauben zu leben.

UK: Was sagst du zu der These „Inklusion und Ökumene sind Geschwister“?
Bull:
Inklusion und Ökumene bedeuten für mich über den Tellerrand hinauszublicken. Eine Beziehung zu Menschen aufzubauen, die ich nicht aus meinem gewohnten Umfeld kenne, die anders arbeiten, reden und handeln als ich. Manchmal ist es sehr schwierig, aber ich finde es ist wichtig, diese Andersartigkeiten zu akzeptieren und ein gemeinsames Ziel zu verwirklichen, auch wenn die Wege und Geschwindigkeiten dahin unterschiedlich sein mögen.


UK sagt „Vielen Dank!“