„Zu den Menschen gehen und bleiben“

WANNE-EICKEL –Alle zwei Monate treffen sich Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Fachbereichsleiterinnen und -leiter aus dem Kirchenkreis Herne zu einer Pfarrkonferenz. Einmal im Jahr wird dieses Treffen ökumenisch ausgerichtet, dieses Mal am 31. Januar in der Evangelischen Stephanus-Gemeinde Holsterhausen. Die Zusammenkunft begann mit einer gemeinsamen Andacht in der Stephanuskirche. Im Gemeindehaus war dann Gelegenheit zu persönlichem Austausch, gegenseitiger Information über bevorstehende Veranstaltungen und Diskussion über ein Schwerpunktthema. Das stand unter dem Titel „Ökumenisch Zukunft gestalten“. So lautet ein gemeinsamer Aufruf des Erzbistums Paderborn, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche aus Anlass des Reformationsjubiläums 2017 mit dem Ziel, das geschwisterliche Miteinander von katholischen und evangelischen Christen zu stärken.

Pfarrer Ingo Neserke, Leiter des Amts für Missionarische Dienste (AmD) der westfälischen Landeskirche stellte das Programm „Fresh X“ vor, in dem konfessionsübergreifend gedacht werde. Fresh X steht für „Fresh Expressions for Church“, was so viel heißt wie „Frische Ausdrucksformen von Kirche“. „Es handelt sich weniger um ein missionarisches Programm als um die Entwicklung einer Haltung den Menschen gegenüber, die der Kirche fernstehen, in der Christen antworten, wenn sie gefragt werden“, so Neserke. Dazu bedürfe es der Begegnung – und um diese herzustellen, „müssen Christen in dem Milieu, in dem sie zuhause sind, Gesprächsangebote machen.“ Dies solle nun aber nicht geschehen mit dem Ziel, neue Menschen in die Ortsgemeinden zu integrieren, sondern neue kirchliche Orte zu schaffen. „Wir müssen zu den Menschen gehen und bleiben“, sagte er. Diese neuen kirchlichen Orte stünden nun aber nicht in Konkurrenz zu den Ortsgemeinden. „Im besten Fall profitiert die Ortsgemeinde von dem neuen kirchlichen Leben im Stadtteil.“

Als Beispiele für solche neuen kirchlichen Orte nannte der ehemalige Superintendent des Kirchenkreises Hattingen-Witten ein leerstehendes Ladenlokal in Lüdenscheid, das unter dem Titel „Gute Stube“ zu Veranstaltungen und Zusammenkommen in Café-Atmosphäre einlädt. „Das Format wird angenommen und hat sich als ein neuer kirchlicher Ort etabliert, an dem auch über Glaubensfragen diskutiert wird“, erzählte Neserke. Auch in Minden ist ein solcher neuer kirchlicher Ort entstanden – hier wurde aus einem leerstehenden Pfarrhaus „Simeons Herberge“. Hier finden Spieleabende, gemeinsames Kochen, offene Treffen oder Wohnzimmerkonzerte statt. Besonders beeindruckt zeigte sich der Referent von einem Tattoo-Studio, in dem sich ein Pfarrer den Oberarm habe verzieren lassen. Aufgrund der langen Verweildauer der Kunden würden immer wieder Gespräche entstehen, in denen es nicht selten um Existenzielles gehe, habe der Inhaber des Studios berichtet. „Nun macht der Pfarrer in diesem Tattoo-Studio das Angebot seelsorgerlicher Gespräche, das sehr regelmäßig genutzt wird.“

Das Referat Neserkes war Impuls für lebhafte ökumenische Gespräche an den Tischen darüber, ob Fresh X eine Möglichkeit ist, dass die Kirchen sich wieder mehr ins gesellschaftliche Leben integrieren. Die Meinungen gingen stark auseinander. Sie reichten von „Angebote für bestimmte Zielgruppen haben wir doch immer schon gemacht“ bis zu „Die jetzige Gemeindestruktur hat sich doch bald überlebt, wir müssen sehr dringend neue Wege gehen“. AR