„Sehnsucht nach einer ambulanten Kirche“

Castrop-Rauxel. Die Kirchengemeinde Castrop-Rauxel-Nord hat am drittletzten Sonntag des Kirchenjahres ihre Petrikirche in Habinghorst entwidmet. Das geschah in einem festlichen Gottesdienst mit viel Musik unter der Leitung von Sonja Heese, die die Orgel spielte, den St. Paul’s Choir leitete und Frank Ronge (Gitarre) am Klavier begleitete. Pfarrer Sven Teschner erinnerte zu Beginn daran, dass die Kirche in der Biografie vieler Gemeindeglieder einen wichtigen Platz habe, weil sie hier getauft oder konfirmiert wurden, geheiratet oder sich von verstorbenen Angehörigen verabschiedet haben. In der Woche vor dem Entwidmungsgottesdienst hatte die Gemeinde in verschiedenen Veranstaltungen die Möglichkeit, in der Kirche Abschied zu nehmen.
In seiner Predigt über die letzten Worte aus dem Matthäusevangelium erinnerte Pfarrer Teschner die Kirchengemeinde an ihren Auftrag, den Glauben in der Stadt ins Gespräch zu bringen, in der Gewissheit der Begleitung durch Jesus Christus. Dafür gebe es in der Gemeinde die Christus- und die Erlöserkirche – und daneben viele andere Orte, wo der Glauben ins Gespräch gebracht werden könne.
Superintendentin Claudia Reifenberger nahm diesen Faden auf: „Komm in unser festes Haus, der du nackt und ungeboren. Mach ein leichtes Zelt daraus, das uns deckt kaum bis zum Morgen; denn wer sicher wohnt, vergisst, dass er auf dem Weg noch ist“, zitierte sie eine Liedstrophe aus dem Evangelischen Gesangbuch und erinnerte daran, dass Gott unterwegs sei und auch Jesus Christus – im Gegensatz zu den Füchsen oder den Vögeln des Himmels – auch keinen Ort gehabt hätte, wo er sein Haupt hätte hinlegen können (Lukas 9,58). Als wanderndes Gottesvolk könnte die Gemeinde aber der Gegenwart Gottes an jedem Ort gewiss sein, weil er es selbst versprochen habe: „Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wohin du auch ziehst.“ (1. Mose 28,15) „Vielleicht sind wir viel zu sehr stationäre Kirche geworden, indem unser Gemeindeleben zu viel in unseren Gebäuden stattfindet“, sagte Reifenberger. „Ich habe Sehnsucht nach einer ambulanten Kirche, die bereit ist, sich zu verändern.“ 
Nach dem Segen trugen Pfarrer und Presbyter Osterkerze, Altarbibel und Abendmahlsgeräte aus der Petrikirche. Von dort aus ging es zur Christuskirche nach Ickern, wo die Gemeinde das Heilige Abendmahl feierte. Anschließend hatten alle Gelegenheit, bei Essen und Trinken im benachbarten Lutherhaus Erinnerungen an die Petrikirche auszutauschen und den Nachmitttag ausklingen zu lassen.
Die Petrikirche wird in den kommenden Wochen an einen Investor verkauft. Sein Ziel ist es, die Kirche als Gebäude zu erhalten und eine sinnvolle und eine angemessene Weiternutzung zu ermöglichen. Auch das benachbarte Gemeindehaus gibt die Kirchengemeinde auf. Das Café Q wird im Stadtteil an anderer Stelle bestehen bleiben. Auch die Gruppen können sich weiterhin in Habinghorst an einem anderen Ort treffen. Hier steht die Gemeinde kurz vor dem Abschluss eines Mietvertrages. „Wir geben unsere Gebäude in Habinghorst auf, ziehen uns aber nicht als Kirche aus dem Stadtteil zurück“, sagte Sven Teschner. „So wird etwa das Weltcafé – ein Treffpunkt für Menschen, die durch Flucht zu uns gekommen sind – weiterhin in Habinghorst stattfinden.“ AR