Zeit für die Gitarre

Castrop-Rauxel. Er war ein Mann der ersten Stunde. Als er vor 22 Jahren nach Castrop-Rauxel kam, war er 43 Jahre alt. Nun geht Dr. Holger Gespers in den Ruhestand, der Mann aus Bochum, der seine Arbeit vor über zwei Jahrzehnten am Evangelischen-Krankenhaus Castrop-Rauxel aufnahm, als die Abteilung noch Innere I hieß – und er als Leiter der Gastroenterorologie begann. Die Arbeit mit älteren Menschen ist seine Passion, denn der heutige Chefarzt für Geriatrie weiß genau: „Ältere Menschen benötigen mehr als nur eine rein medizinische Behandlung.“

Ans Älterwerden denkt er indes noch lange nicht. Unterschiedlichste Hobbys säumen seinen privaten Weg, Parallelen zur Medizin, die sieht der Arzt bei jeder einzelnen Geschichte, die er erzählt. Angefangen bei seinem Medizinstudium, natürlich an der Ruhr-Universität in Bochum, seiner Stadt, in der er stets gewohnt und der er bis heute die Treue gehalten hat, ebenso wie dem EvK Castrop-Rauxel. Nach dem Abitur am Albert-Einstein-Gymnasium lebte Dr. Gespers im Heusnerviertel, dem Straßenzug in Bochum, der schon seinerzeit berühmt wie berüchtigt für seine lebendige Mischung war, die hier lebte, in einer Zeit, als es den Kohlemann noch gab: „Vom Punker bis zum Arzt war hier alles vertreten“, so der Chefarzt, der das Leben in dieser bunten Vielfalt bis heute zu schätzen weiß, eben weil sie ihn menschlich geprägt hat. „In erster Linie geht es darum, einander wertzuschätzen und zu respektieren“, sagt er und schaut auf die gepackten Kisten in seinem Büro, in dem er so viele Jahre gearbeitet hat. Kritische Meinungen begleiteten seine Wege ebenso wie zustimmende. „Am Ende geht es darum, Verantwortung zu übernehmen, für das, was man tut“, betont der 65-Jährige.  

Vor Verantwortung hat er sich nie gedrückt, damals wie heute nicht, als er, um den Blick zurück in seine Anfangsjahre schweifen zu lassen: „Das, was wir hier in der Geriatrie am EvK bewegt haben, das Netzwerk, das wir weiterentwickelt haben, alles in Kooperation mit der Stadt Castrop-Rauxel, ist enorm.“ Für diesen Erfolg sitzt Dr. Holger Gespers noch bis heute im Beirat, damals im Seniorenbeirat, heute heißt es Ausschuss für Generationen, Inklusion und Diversität. Das Ergebnis jedenfalls war und blieb das erste Zentrum für Altersmedizin. Und Dr. Gespers weiß aus Erfahrung: „Ich halte es, wie mit der Patientenversorgung: Das Ergebnis muss stimmen!“

Offener sei in den letzten Jahrzehnten der Umgang mit der Krankheit Demenz geworden, unersetzlich dabei neue Strukturen wie etwa der Liasondienst, der sich im Anschluss an den stationären Aufenthalt um einen ordentlichen organisatorischen Ablauf für ältere Menschen kümmert. „Früher wusste ja niemand, was ein Liasondienst sein soll“, sagt er und lacht. Dank der guten Zusammenarbeit hat sich dieser Dienst längst etabliert, feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum und ist aus dem geriatrischen Bereich nicht mehr wegzudenken.

Was also tun, nach all den Berufsjahren? Musik steht auf der Liste des passionierten Violinisten ganz oben, nun wird er sich der Gitarre widmen. Auch hier zieht der dreifache Vater wieder klare Linien zur Medizin: „Man kann sich nicht als Solist vorne hinstellen, wenn man nicht wirklich gut ist. Das bemerkt sofort jeder.“ Als Solist hat er sich beruflich nie gesehen, sein Team, seine Weggefährten, all das macht den Menschen am Ende aus, der nun in den Büchern blättert, alte Zeitungsartikel einsammelt – und den letzten Karton aus dem Büro tragen wird. Man soll gehen, wenn es am schönsten ist.

 

Gerhard Glock (Geschäftsführer der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft Herne | Castrop-Rauxel), Pfarrer Frank Obenlüneschloß (Theologischer Direktor), Dr. Holger Gespers, Beate Schlüter (Pflegedirektorin) und Dr. Martin Montag (Ärztlicher Direktor). FOTO: EVK