Herne. Als Professor Dr. Matthias Kemen vor 21 Jahren an das Evangelische Krankenhaus Herne kam, hatte er sein Herz schon längst an das Ruhrgebiet verloren. Denn insgesamt leistete der Facharzt für Chirurgie, Viszeralchirurgie und Gefäßchirurgie hier 41 Jahre „Dienst am Menschen“, wie er anlässlich seines Abschieds in den Ruhestand sagte. Weggefährten bezeichneten Professor Kemen als einen Mann, der die Chirurgie revolutionierte, und das auf seine ruhige und besonnene Art und Weise.
„Wie kann das Trauma der Patientinnen und Patienten nach einer Operation reduziert werden?“ So lautete seine Ausgangsfrage, erinnerte sich Kemen an die Vergangenheit. „Es ist uns dramatisch gut gelungen“, so lautete seine Antwort der Gegenwart. In den 1990er Jahren habe es die heute so selbstverständlich praktizierten Eingriffe an den Krankenhäusern Deutschlands noch längst nicht gegeben. „Damals mussten die Patienten nach einer Dickdarm-OP auf die Intensivstation, heute können sie in der Regel nach zwei Tagen nach Hause“, fasste der Mediziner die Entwicklung zusammen.
Natürlich liege es auch an der Weiterentwicklung der Technik, neuen Lichtquellen oder Instrumenten, bis hin zur robotisch assistierten Chirurgie. „Wir haben die Chirurgie auf den Kopf gestellt“, erinnert sich Kemen gerne. Dankbar ist er für all diese Erfahrungen, die er ohne eine ständige Bereitschaft zu Neuerungen niemals hätte machen können. „Man muss Bewährtes fortsetzen und neue Entwicklungen vorantreiben“, lautete sein Motto.
Bestes Beispiel sei hier das Ruhrgebiet, ein Ort, mit dem sich der Mann, der in jungen Jahren seinen Wohnort Trier verließ, um nach Bochum zu ziehen, so verbunden fühlt. „Ich bin überzeugter Ruhrgebietler“, betonte Professor Kemen. „Der Menschenschlag sagt mir einfach zu.“ Es seien die Herzlichkeit, die Ehrlichkeit und die zahlreichen Kultur- und Freizeitmöglichkeiten mit ihren Grünanlagen, die das Ruhrgebiet zu bieten habe, die ihn beeindrucken. „Wir haben hier eine ganz andere Mentalität als andere Arbeiterstädte, wie etwa Detroit, wo man einfach alles wegwirft, wenn es nicht mehr funktioniert.“
Anders, weil das Ruhrgebiet es immer wieder schaffe, sich auch nach harten Schicksalsschlägen neu zu definieren, neu aufzustellen und zu wirken, mit den Mitteln, die eben vorhanden sind, das imponiert dem Mediziner. „Wenn ich in den Bergen bin, darf ich nicht vom Meer träumen“, resümiert er. Und natürlich gelte das auch für die medizinische Landschaft, in der er schon so viele Veränderungen miterlebt hat.
„Jede Zeit hat ihren Umbruch. Was haben damals nicht alle über die Fallpauschale geschimpft, heute ist es eben die neue Krankenhausplanung“, sagte er. „Jeden Neuanfang muss man positiv begreifen, muss sich darauf einlassen.“ Sein Wissen an die jungen Ärztinnen und Ärzte zu vermitteln, die am Beginn ihres Berufslebens stehen, werde er sicherlich am meisten vermissen. „Das Thema Ernährungswissenschaften hat mich schon immer fasziniert, dass ich mich schon in meiner Habilitation dieses Themas annahm“, sagte Professor Dr. Matthias Kemen, ehemals Kongresspräsident der NRW-Chirurgen und heute Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin.
Und weil er so ganz nicht loslassen mag, bleibt er Senior Consultant am EvK Herne, der Stadt, an der er hängt und die, wie er sagt, „Gas gibt, sich toll entwickelt hat und über eine gute Portion Stadtstolz verfügt.“ Dem Ruhrgebiet wird er treu bleiben, trotz Haus auf Mallorca. Vor zehn Jahren war er das erste Mal zu Besuch auf der Cranger Kirmes. „Seither spüre ich noch besser, wie das Herner Herz tickt.“ Er selbst nimmt seines nun mit in den Ruhestand, nicht ohne in seiner letzten offiziellen Rede an die Kolleginnen und Kollegen zu betonen: „Wenn man etwas richtig machen möchte, muss man es mit Herz machen.“
Sie verabschiedeten sich von Professor Dr. Matthias Kemen (5. von links) im Seminarzentrum am EvK Herne (von links): René Vidic (Klinikmanager), Gerhard Glock (Geschäftsführer der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft Herne | Castrop-Rauxel), Dr. Erich Hecker (Ärztlicher Direktor), Heinz-Werner Bitter (ehemaliger Geschäftsführer), Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda, Professor Dr. Ulrich Eickhoff (ehemaliger Chefarzt am EvK), Prokuristin Annika Machleit-Ebner und Thomas Drathen (Geschäftsführer Evangelischer Verbund Augusta Ruhr).
FOTO: EVK