Herne. Wer hilft mir, wenn ich meine Energierechnungen nicht mehr bezahlen kann? Für diese Notfälle hat das Diakonische Werk Herne eine kostenfreie Sozialberatung eingerichtet. Finanziert wird das Hilfsangebot an der Schaeferstraße 8 in der Herner City aus Mitteln der Energiehilfe der Kirchen. Die Nachfrage übertrifft alle Erwartungen.
Am 1. Juni hat Kristina Messerle ihr Büro in der Evangelischen Beratungsstelle für Ehe-, Partnerschafts- und Lebensfragen und Schwangerschaftskonfliktberatung im Diakonischen Werk Herne bezogen. Im Projekt „Energiekrise – und jetzt?“ weist die 43-jährige Sozialarbeiterin an vier Tagen pro Woche Hilfesuchenden den Weg zu staatlichen, kommunalen oder privaten Hilfsleistungen, wenn ihr Konto wegen Energie- oder Mietschulden in Schieflage geraten ist. Dabei stützt sie sich auf eine langjährige Tätigkeit in der psychosozialen Beratung im Ambulant Betreuten Wohnen. Die Zertifizierung zur systemischen Beraterin steht kurz bevor.
In den ersten Wochen, so hatten es Kristina Messerle und Sabine Karkuth-Dohmeier, die Leiterin der Beratungsstelle, ursprünglich geplant, sollte sich die Beraterin in die Thematik vertiefen und vor Ort vernetzen. Daraus wurde nichts. Schon vier Tage nach Projektbeginn standen – ohne jede Werbung – die ersten Hilfesuchenden vor der Tür: Menschen mit geringem Einkommen, junge Familien mit kleinen Kindern, Alleinerziehende, frisch Getrennte, Geflüchtete.
Von „Null auf Hundert“ sei sie gestartet, sagt Messerle, die fließend Russisch und Französisch spricht. Derzeit führt sie jeden Tag mindestens zwei Gespräche. Für den Erstkontakt nimmt sie sich 90 Minuten Zeit. „Das ist wie eine Anamnese beim Arzt“, sagt die Sozialberaterin. Es geht ihr darum, die Gesamtsituation der Ratsuchenden bestmöglich zu erfassen, um nachhaltig zu helfen: „Ich will nicht ein Loch stopfen und ein neues aufreißen.“
Sorgfältig dokumentiert sie die einzelnen Fälle, denn jeder ist anders, zumeist hochkomplex. Die jüngste Klientin, gerade 20 Jahre alt und hochschwanger, wurde von einem kriminellen Arbeitgeber um ihren Lohn betrogen, lebt vom Kindesvater getrennt, hat keine familiäre Unterstützung. Der älteste Klient, ein 64-jähriger, alleinstehender Rentner, suchte Rat wegen seiner Energieschulden und offenbarte im Gespräch „viele andere Baustellen“, die nun nacheinander abgearbeitet werden.
Manche Klienten waren schon zwei- oder dreimal da. Die ersten Fälle konnten bereits zur Zufriedenheit der Ratsuchenden abgeschlossen werden. Auch deshalb finden immer mehr Menschen durch Mund-zu-Mund-Propaganda den Weg zur Schaeferstraße. Dabei profitieren die Ratsuchenden von dem erfahrenen, multiprofessionellen Team der evangelischen Ehe-, Partnerschafts- und Lebensberatungsstelle, in das Kristina Messerle eng eingebunden ist: „Die Kolleginnen sind immer ansprechbar für mich, verraten mir Tipps und Tricks.“
Die Zusammenarbeit mit den lokalen Hilfsangeboten ist eng. Zwischen der Stadt Herne und der Caritas Herne, die ebenfalls Sozialberatung anbieten, habe ein guter Austausch begonnen, so die Projektverantwortliche. Bei akuten Notlagen springt der Verein „Herne hilft!“ mit Finanzspritzen ein. Die Sozialberaterin fühlt sich an ihrer neuen Wirkungsstätte wohl: „Ich bin in Herne sehr herzlich und auf Augenhöhe aufgenommen worden“, sagte sie. „Hier geht es nicht um Konkurrenz, sondern um Kooperation.“