„Klang der Weiblichkeit“ – unter diesem Titel stand das Konzert in der Ev. Christuskirche Herne am Sonntag, 13.10.2019, des neu gegründeten Ensembles Canto Nobile, das mit einem abwechslungsreichen Programm von zwei- bis vierstimmigen Gesängen für Sopran und Alt von der Renaissance bis in die Gegenwart die zahlreichen Zuhörer geradezu in Bann schlug: Kein Hüsteln, kein Scharren von Füßen, nichts störte die Musik, alle waren nur Aug und Ohr, auch dank der Entscheidung von Dora Rubart-Pavlikova, der Leiterin des Ensembles, auf Zwischenbeifall des Publikums zu verzichten.
Der Nachmittag begann mit zwei dreistimmigen Kanons von G. P. Palestrina, zunächst der innigen Bitte „Illumina oculos meos“ (Gott, erleuchte meine Augen), danach der prächtige Kanon über Jesu Königtum (Rex admirabilis), die den Kirchenraum mit wunderbarem Klang erfüllten.
Der Musik von Palestrina verwandt erschienen die beiden Kanons von P. Ugoletti in der Mitte des Programms, einem italienischen Komponisten der Gegenwart. Sie wurden nicht rein a cappella vorgetragen, sondern die durchlaufende Melodie am Klavier von Hanspeter Menzler akustisch hervorgehoben.
Einen ersten Höhepunkt bildeten „Drei Frauenchöre“ von B. Smetana, die a cappella in tschechischer Sprache vorgetragen wurden, sehr expressive Stücke, die die Sängerinnen teilweise in extreme Lagen führten ( Mein Stern), mit dunklen Piano-Klängen die Stimmung wiedergaben (Die Dämmerung) und mit lebhaften Rhythmen in „Die Schwalben kamen wieder“ das Fliegen verdeutlichten.
Das Besondere des Konzertes aber waren Gedichte und Liedkompositionen der tschechisch-deutschen Jüdin Ilse Weber, 1903 in Witkowitz (Österreich/Ungarn, heute Tschechien) geboren, verheiratet seit 1929 mit Willi Weber und im November 1944 freiwillig von Theresienstadt mit den Kindern, für die sie dort Märchen und Lieder geschrieben hatte, darunter ihr Sohn Tomasz, ins Vernichtungslager Auschwitz gegangen, um zusammen mit ihnen zu sterben.
Zwei Strophenlieder (Satz von A. Schmid) von Ilse Weber vermittelten einen Eindruck ihrer zu Herzen gehenden Lieder. „Guten Tag, Herr segne uns“ lässt eine gläubige Frau vor unseren Augen treten, die auch im Lager Theresienstadt nicht ihren Glauben verliert und in einem Konzentrationslager schreiben kann: „Alles Böse lasst uns meiden.“ „Wiegala“ ist ein Wiegenlied, das sie vor allem für die kleineren Kinder geschrieben hat, abwechselnd in deutsch und tschechisch, sich besonders um die Kinder im Lager zu kümmern, hatte Ilse Weber zu ihrem Anliegen gemacht. Der Chor zeigte sich hier wunderbar einheitlich und fein abgewogen in den Stimmgruppen, ebenso wie im bekannten Lied von J. Brahms „Guten Abend, gute Nacht“.
Zwischen den einzelnen Chorbeiträgen wurden Duette von H. Purcell, F.P. Tosti und T. Campion für Sopran- und Altstimmen und überwiegend mit Klavierbegleitung vorgetragen, die das Programm auflockerten.
Am Abschluss des Konzertes aber sollte die Hoffnung stehen: „Die güldene Sonne“ in einem Satz von G.Ph. Telemann war bewusst als letztes Vortragsstück gewählt worden als unumstößlichen Hinweis darauf, dass bei allem Schweren und dem vielen Leid, das Menschen einander zufügen und ertragen müssen, die Hoffnung auf den Bestand des Guten bleiben wird.
Mit diesem neuen Ensemble, elf gesanglich ausgebildeten Damen, möchte die tschechische Sopranistin Dora Rubart-Pavlikova, selbst im Prager Collegium Vocale 1704 aktiv und als Musikpädagogin tätig, sich besonders Stücken widmen, die speziell für Frauen geschrieben worden sind, um so den Klang der Weiblichkeit quer durch die Jahrhunderte hindurch zu verdeutlichen und gleichzeitig unbekanntere Kompositionen, vor allem von Komponistinnen und deren Leben, bekannt machen.
Wie gut dieses Konzept aufgegangen ist, bewies dieses erste Konzert dieses Ensembles in Herne. Das Publikum fühlte sich durch die Musik reich beschenkt und besonders beeindruckt von dem Einblick in das Leben der jüdischen Schriftstellerin und Komponistin Ilse Weber. BW/Foto: FW Siepmann