Herne. Am Reformationstag hat die Kirchengemeinde Haranni in der Kreuzkirche einen zentralen Gottesdienst gefeiert. Kantorei unter Leitung von Kreiskantor Wolfgang Flunkert, der auch als Organist zu hören war und CVJM-Posaunenchor unter Leitung von Stefan Wilhelm sorgten für einen festlichen Charakter. Als Liturgen waren Pfarrer Stefan Grote und Vikar Benjamin Anicker, der die Predigt hielt, aktiv. Rund 150 Menschen waren gekommen, von denen viele auch an der anschließenden Gemeindeversammlung teilgenommen haben, in der Pfarrerin Melanie Jansen als Vorsitzende des Presbyteriums und dessen Sprecherin über das Gebäudekonzept informierte, das die Gemeindeleitung in den vergangenen fünf Monaten erarbeitet hat. Das Ergebnis langer Verhandlungen und umfänglicher Diskussionen sei, dass an drei von fünf Standorten die Gebäude bis 2029 aufgegeben werden – zu Pfingsten 2027 der Standort Baukau mit Matthäuskirche und Matthäuszentrum, zu Pfingsten 2028 der Standort Zion mit Zionskirche und benachbartem Gemeindehaus, zu Pfingsten 2029 der Standort Börnig mit Emmauskirche und Emmaus-Gemeindehaus.
„Diese Entscheidung ist uns sehr schwergefallen“, sagte Jansen. „Wir haben miteinander gerungen – und schon im Diskussionsprozess war bei allen Beteiligten Trauer spürbar.“ Gemeinde-, Personal- und Finanzentwicklung in den vergangenen und kommenden Jahren hätten aus Sicht des Presbyteriums allerdings eine so weitreichende Entscheidung notwendig gemacht. „Zurückgehende Kirchensteuerzuweisungen und ein neuer Pfarrstellenschlüssel werden dazu führen, dass hier spätestens 2031 nur noch zwei Pfarrerinnen oder Pfarrer Dienst tun werden“, erläuterte die Pfarrerin. Nur eine solche radikale Veränderung sichere die Zukunft der Gemeinde. „Wir sehen in dieser harten Entscheidung gleichwohl auch Chancen, Nähe und Rückhalt in einer (auch zahlenmäßig) starken Gemeinschaft zu erleben“, führte Jansen weiter aus. „Indem wir unsere Gemeindearbeit weitestgehend an zwei Standorten zusammenführen, ergeben sich Möglichkeiten zu gestalten und uns darüber klar zu werden, wie wir ‚Evangelische Kirche in Herne‘ zukünftig leben und gestalten wollen.“ Die Aufgabe von Gebäuden in den drei Gemeindebereichen bedeute auch nicht, dass die Gemeindeglieder hier nicht mehr seelsorglich versorgt würden: „Natürlich werden wir nach wie vor für alle unsere Gemeindeglieder da sein“, betonte das Pfarrteam unisono. „Wir werden uns aber mit der Zahl der Angebote, die über die ‚pastorale Grundversorgung‘ – also die Durchführung von Gottesdiensten, Taufen, Trauungen, Beerdigungen, Konfirmandenunterricht, diakonische Arbeit vor Ort oder Begleitung von Gruppen – hinausgehen, beschränken müssen.“
Das Presbyterium habe nun Zeit, die Transformation aktiv zu gestalten. Jansen lud die Gemeindeglieder ausdrücklich dazu ein, sich an diesem Prozess aktiv zu beteiligen. Am Mittwoch, 20. November, um 16 Uhr im Matthäuszentrum Baukau, am Sonntag, 8. Dezember, um 12 Uhr im Gemeindehaus Zion und am Montag, 19. Dezember, um 19 Uhr im Emmaus-Gemeindehaus sind Auftaktveranstaltungen für interessierte Gemeindeglieder, die konstruktiv an der Zukunftsgestaltung mitarbeiten wollen.
Im Anschluss hatten die Gemeindeglieder Gelegenheit, Fragen zu stellen. Eine Frau gab zu bedenken, dass alte Menschen die längeren Wege möglicherweise nicht bewältigen können. „Wir werden überlegen, vor Ort andere Möglichkeiten für Zusammenkünfte zu schaffen“, sagte Pfarrerin Katja Lueg, die überdies einen Fahrdienst für den Besuch von Gottesdiensten in Aussicht stellte. „Den gibt es ja auch jetzt schon, machen Sie davon gerne Gebrauch“, sagte sie. Eine weitere Frage drehte sich um die Nutzung der Gebäude nach deren Aufgabe. „Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten – von einer eigenen Neubebauung bis zu einer Vermarktung ist vieles denkbar“, sagte Pfarrerin Jansen. „Hier stehen unsere Überlegungen erst ganz am Anfang.“ Ein Gemeindeglied wollte wissen, in welche Richtung die Transformation inhaltlich gehen soll. „Zunächst geht es darum, die Aufgabe zu verarbeiten, um sich dann zu fragen, was die Grundlage unseres Glaubens und unseres kirchlichen Handelns ist“, sagte Pfarrer Stefan Grote. „Ich hoffe auf geistige und geistliche Neuausrichtung.“ Damit ging eine kurze Fragerunde zu Ende, die nur ein Anfang eines umfänglichen Veränderungsprozesses gewesen sein dürfte. Gegen 21.30 Uhr beendete Versammlungsleiter Dr. Björn Pfadenhauer die Gemeindeversammlung an deren Schluss das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ stand. AR
Zum Hintergrund:
Die fünf Herner Gemeinden Baukau, Bladenhorst-Zion, Börnig, Kreuz und Sodingen, die sich 2022 zur Kirchengemeinde Haranni vereinigt haben, hatten zusammen vor 15 Jahren (2009) noch 20.400 Gemeindeglieder. Seitdem gab es einen stetigen Rückgang – heute hat die Kirchengemeinde Haranni noch knapp 15.000 Mitglieder. Der Rückgang der Gemeindegliederzahlen wirkt sich unmittelbar auf die Kirchensteuerzuweisung aus, wobei der damit verbundene Finanzrückgang durch den Anstieg von Personal- oder Unterhaltungskosten des Gebäudebestands verschärft wird. Dazu kommt, dass die Evangelische Kirche von Westfalen den Pfarrstellenschlüssel in zwei Schritten verändert: Bisher galt der Schlüssel 1:3.000 (eine Pfarrstelle auf 3.000 Gemeindeglieder), ab 2026 gilt 1:4.000, ab 2031 1:5.000. Das bedeutet, dass die Kirchengemeinde Haranni bei einem zu erwartenden weiteren Rückgang der Gemeindegliederzahlen ab 2031 nur noch über zwei, maximal zweieinhalb Pfarrstellen verfügen wird. Zurzeit sind es mit den Pfarrern Uwe Leising, Stefan Grote und Daniel Schwedhelm sowie den Pfarrerinnen Melanie Jansen und Katja Lueg (50 Prozent) noch viereinhalb Pfarrstellen – zuzüglich Pfarrer Paul Hering und Pfarrerin Antje Lewitz-Danguillier (50 Prozent), die unterstützen und Vertretungen übernehmen.
FOTOS: ARND RÖBBELEN
- Die Johanniskirche in Sodingen (oben links) und die Kreuzkirche (oben Mitte) werden nebst der angrenzenden Gemeindehäuser erhalten, während die Baukauer Matthäuskirche (unten rechts) 2027, die Zionskirche (oben rechts) 2028 und die Emmauskirche (unten rechts) 2029 aufgegeben und entwidmet werden.
- Rund 150 Menschen haben in der Kreuzkirche am Reformationsgottesdienst teilgenommen - die meisten von ihnen auch an der anschließenden Gemeindeversammlung.
- Pfarrerin Melanie Jansen informierte die Gemeindeglieder über das Gebäudekonzept.
- Das Presbyterium der Kirchengemeinde Haranni stand Rede und Antwort.
- Die Kantorei sorgte ebenso für einen festlichen Rahmen des Reformationsgottesdienstes wie...
- ...der CVJM-Posaunenchor.
- Vikar Benjamin Anicker hielt die Predigt.