„Kein Raum für rechtsextremes Gedankengut“ -Ein Kommentar von Flüchtlingsberaterin Katja Jähnel von der Fachstelle Eine Welt im Kirchenkreis Herne
Vor 80 Jahren wurde Auschwitz befreit. Erst seit 30 Jahren ist der 27. Januar in Deutschland offizieller Gedenktag. Spät, aber immerhin. Die Nachfahren der Getöteten in Auschwitz können sich und ihre Familien seitdem wahr- und ernstgenommen fühlen. Sie plädieren dafür, dass diese geschichtlichen Ereignisse wieder viel mehr in den Mittelpunkt von Unterricht, Erziehung und Bildung kommen müssen.
Ich frage mich, ob die derzeitige Mehrheitsgesellschaft bereits wieder an dem Punkt ist, dass sie mit Wissen, aber ohne Widerstand das Verschwinden von Menschen hinnehmen würde. Müssen wir uns Sorgen machen? In meiner Arbeit als Flüchtlingsreferentin werde ich in der letzten Zeit häufiger von Klientinnen und Klienten gefragt, ob sie wohl wieder in ihr Herkunftsland (und ich schreibe bewusst Herkunftsland, denn viele von ihnen sind längt hier beheimatet!) abgeschoben werden. Ich zucke dann mit den Schultern und teile ihnen meine Hoffnung mit. Ich hoffe nämlich, dass es genügend Widerstand geben wird, wenn eine neue Regierung aus Remigrationsgedanken Massenabschiebungen machen würde. Ich hoffe, dass bei der Wahl am 23. Februar ausreichend wache und demokratische Kräfte verhindern, dass ein solches Gedankengut nicht umgesetzt wird.
Aber ich finde schlimm, dass man Sorgen haben muss. Ich finde schlimm, dass die Enkel und Urenkel der Menschen, die Auschwitz erleben mussten, sich sorgen, dass man wieder nach Menschen sucht, die man für „das Übel“ hält, mit denen man den wirtschaftlichen und sozialen Abbau in unserem Land verbindet. Das war damals so, das ist heute so. Dabei übersieht man, dass Migration einst eingefordert wurde, dass man um die Gastarbeiter gebettelt und gebuhlt hat. Diese Menschen und ihre Familien haben Deutschland zu einem wirtschaftlichen Aufschwung verholfen, den seinesgleichen sucht. Natürlich haben sie sich niedergelassen und Familien gegründet und sind Teil der Gesellschaft.
Die Flüchtlinge im eigentlichen Sinn waren von den Zahlen her nie ein Problem. Der Syrienkrieg hat uns mit über einer Million berechtigt Schutzsuchenden vielleicht für den Moment überfordert, aber viele von ihnen sind heute eingebürgert, arbeiten und fühlen sich in Deutschland wohl. Inzwischen sind die Zahlen der Asylsuchenden durch eine restriktive Asylpolitik und starke Einschränkungen im Aufenthaltsrecht, im Nachzug etc. stark zurückgegangen, das könnte unsere Gesellschaft meistern.
Aber das Gegenteil wird behauptet. Die Flüchtlinge sollen schuld sein, dass in den Schulen nichts erneuert wird, dass die Infrastruktur nicht entwickelt wird, dass im Gesundheitssystem Probleme und Geldnot herrschen. Schuld an allem sollen sie sein, denn sie seien zu viele, so hört man allzu oft. „Das geht doch nicht so weiter. Man traut sich nicht mehr raus im Dunkeln. Unsere deutschen Kinder sind in den Schulen in der Minderheit, dabei gehört Deutschland uns.“ So und so ähnlich schallt es aus allen Kanälen, ob digital oder analog.
Ich erinnere mich dabei an die Diskussionen in den 1980er Jahren, die waren nicht anders. „Das Boot ist voll“, so hieß es damals. Da waren es nicht nur die Neonazis, die das verkündeten. Die demokratischen Kräfte konnten ihr Erstarken damals verhindern. Darauf hoffe ich auch jetzt. Wir dürfen rechten Ideen keinen Raum geben und müssen am 23. Februar unsere Demokratie schützen und bewahren. Integration statt Ausgrenzung, Abschottung und Abschiebung – nur so bleibt unser Land ein demokratisches Land. Dafür stehen wir in unserer Arbeit in der Fachstelle Eine Welt im Kirchenkreis Herne tagtäglich ein.
Katja Jähnel arbeitet als Flüchtlingsberaterin in der Fachstelle Eine Welt des Kirchenkreises Herne. FOTO: GÜNTER MYDLAK