„Jede Einrichtung sollte ein Schutzkonzept haben“

CASTROP-RAUXEL – Um den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung ging es auf der letzten Pfarrkonferenz im Kirchenkreis Herne. Am 13. November war Birgit Pfeifer von der gleichnamigen Fachstelle der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe im Wichernhaus der Paulus-Kirchengemeinde Castrop zu Gast. Sexueller Missbrauch in der Kirche sei zunächst als „katholisches Problem“ angesehen worden, bis auch Fälle aus der Evangelischen Kirche bekannt wurden – etwa der Skandal in Ahrensburg, wo zwei Pfarrer Jugendliche missbraucht hatten. Dieser Fall hat damals dazu geführt, dass die Bischöfin der Nordelbischen Kirche, Maria Jepsen, zurückgetreten ist.

An Fälle wie diesen erinnerte Pfeifer, um deutlich zu machen, dass ein Kirchenkreis auf den Fall der Fälle vorbereitet sein muss. Darüber hinaus sollten alle Einrichtungen und Gemeinden Schutzkonzepte entwickeln, um vor allem Kinder und Jugendliche überall dort, wo sie sich aufhalten, vor sexuellem Missbrauch schützen zu können. "Wenn es auf der Konfirmandenfreizeit, im Kinderchor, in der Flüchtlingsgruppe oder Kindergarten zu sexuellen Übergriffen kommt, ist das besonders fatal, weil Menschen der Kirche besonderes Vertrauen entgegen bringen", so Pfeifer. Komme es hier zu sexueller Gewalt, dann sei dieses Vertrauensverhältnis zerstört - und zwar nicht nur bei den unmittelbar Betroffenen. Darüber hinaus werde auch der Glaube erschüttert. „Die Kirche soll und muss ein sicherer Ort für alle Menschen sein“, sagte Birgit Pfeifer.

Wie bei Verdachtsfällen vorzugehen ist, erläuterte Pfeifer ebenso wie die Schutzkonzepte, die möglicher Verletzung sexueller Selbstbestimmung vorbeugen. „Schon wenn potenzielle Täter sehen, dass das Thema ‚Sexueller Missbrauch‘ bearbeitet wird, werden sie abgeschreckt“, sagte sie. Deshalb sei es so wichtig, dass Haupt- und Ehrenamtliche, die in Kirchengemeinden, Kindergärten, Jugendeinrichtungen etc. Verantwortung haben, wissen, wie wirksamer Schutz umgesetzt werden kann. Welche Strategien setzen Täter und Täterinnen ein, um sexuelle Gewalt zu planen und zu verüben? Welche Gegebenheiten könnte ein Täter oder eine Täterin in unserer Einrichtung bzw. in unserer Organisation ausnutzen? An wen wende ich mich im Falle eines Verdachts? Wie sieht ein Umgang mit Mädchen und Jungen aus, der ihre individuellen Grenzen achtet? Und wie kann ich mich selbst vor falschem Verdacht schützen? – Fragen wie diese müssten in Gemeinden, Kindergärten oder Jugendeinrichtungen beantwortet werden – und auch vor dem Antritt von Kinder- und Jugendfreizeiten. Dabei dürfe auch der Umgang mit digitalen Medien nicht außen vor bleiben. „Wenn beispielsweise Nacktfotos verschickt oder angefordert werden, ist auch das eine Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“, sagte Pfeifer.

Die Fachstelle für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung (https://www.fuvss.de/) der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe biete fachliche Unterstützung für Leitungsverantwortliche an, die sich in ihrer Arbeit mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung auseinander setzen müssen – im konkreten Einzelfall ebenso wie präventiv. Außerdem ist sie Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt. Birgit Pfeifer ist zu erreichen unter Telefon (0221) 63 98 342 oder per E-Mail an b.pfeifer@diakonie-rwl.de. AR