Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter

Herne. An jedem 25. November, dem „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ wird der Betroffenen von Gewaltdelikten gedacht. Der Gedenktag geht zurück auf die Ermordung der drei Schwestern Mirabal, die am 25. November 1960 in der Dominikanischen Republik vom militärischen Geheimdienst nach monatelanger Folter getötet wurden. „Gewalt an Frauen und Mädchen war in Deutschland auch 2023 leider an der Tagesordnung – die Zahlen sind nach Angaben des Bundeskriminalamtes im Vergleich zu den Vorjahren sogar gestiegen“, sagte Flüchtlingsberaterin Katja Jähnel von der Fachstelle Eine Welt des Kirchenkreises Herne.

2023 wurden 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten (+ 1,0 Prozent gegenüber 2022: 929). Der Anteil an weiblichen Opfern, die im Zusammenhang mit partnerschaftlichen Beziehungen Opfer von Tötungsdelikten wurden, liegt bei 80,6 Prozent. Insgesamt waren 360 Mädchen und Frauen betroffen, demnach wurde 2023 in Deutschland beinahe jeden Tag eine Frau getötet.

52330 Frauen und Mädchen wurden im Berichtsjahr 2023 Opfer von Sexualstraftaten (2022: 49.284, + 6,2 Prozent), hiervon war über die Hälfte unter 18 Jahre alt. Auch digitale Gewaltdelikte nahmen zu: 17193 Frauen und Mädchen waren im vergangenen Jahr etwa von „Cyberstalking“ oder Mobbing in Sozialen Medien betroffen. Hier ist mit einem Plus von 25 Prozent ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen (2022: 13749).

Auch von Häuslicher Gewalt sind mit einem Anteil von über 70 Prozent weit mehr Frauen und Mädchen betroffen. Im Berichtsjahr stieg ihre Zahl um 5,6 Prozent auf 180715 an (2022: 171076). 591 Frauen und Mädchen waren 2023 Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, Zuhälterei oder Zwangsprostitution. Das ist ein Anstieg von 6,9 Prozent (2022: 553). Rund ein Drittel der betroffenen Mädchen und Frauen sind unter 21 Jahre alt. Besonders hoch ist der Anstieg bei frauenfeindlichen Straftaten als Teil von politisch motivierter Kriminalität. Mit 322 im Berichtsjahr 2023 wird ein Anstieg um 56,3 Prozent zum Vorjahr verzeichnet (2022: 206).

Die überwiegende Zahl der Opfer wie der Tatverdächtigen habe eine deutsche Staatsangehörigkeit. Lediglich beim Menschenhandel ist der Anteil an nichtdeutschen Staatsangehörigen bei Opfern wie Tatverdächtigen höher. „Es braucht mehr Beratungs- und Hilfeeinrichtungen, aber auch Präventionsprogramme in den Schulen und Jugendeinrichtungen sind notwendig“, sagt Katja Jähnel. „Doch nicht nur junge Frauen und Mädchen müssen in ihrer Selbstständigkeit unterstützt werden, auch Jungen und junge Männer müssen verinnerlichen, dass Gewalt niemals eine Lösung ist, dass Gewalt in Deutschland tabu ist und es keine Rechtfertigung für jegliche Form von Gewalt gibt.“

Dazu passe es nicht, im sozialen Bereich zu kürzen, was in Bund und Land beschlossen werden solle und viele Träger von Beratungs- und Hilfeeinrichtungen vor große Probleme stelle. „Betroffene von Gewalt benötigen funktionierende und verlässliche Hilfestrukturen, damit sie den Kreislauf langfristig durchbrechen und psychische Folgen aufarbeiten können; betont Jähnels Kollegin Petra Stach-Wittekind.

Die Fachstelle Eine Welt bietet Betroffenen von Menschenhandel und Häuslicher Gewalt Beratungsmöglichkeiten und Unterstützung. Die Einrichtung ist zu erreichen unter Telefon (02323) 994 97 13.

Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit den Frauenhäusern, dem Weißen Ring und den Präventionsstellen der Polizei. Der Runde Tisch gegen Häusliche Gewalt bei der Stadt Herne vereint Verbände und Organisationen in Herne, die direkt oder indirekt mit dem Thema befasst sind. Er ist ein Beispiel für eine gelungene Vernetzung auf dem Gebiet des Einsatzes gegen Häusliche Gewalt.

 

Petra Stach-Wittekind (links) und Katja Jähnel von der Fachstelle Eine Welt des Kirchenkreises Herne informieren über Gewaltdelikte an Frauen und Mädchen. FOTO: FEW