Gedanken zum Weltflüchtlingstag von Katja Jähnel, Flüchtlingsberaterin in der Fachstelle Eine Welt des Kirchenkreises Herne
Der Weltflüchtlingstag ist ein von den Vereinten Nationen eingerichteter Aktionstag, der seit 2001 am 20. Juni stattfindet. Seither wird an diesem Tag weltweit mit zahlreichen Aktionen auf das Schicksal der Flüchtlinge aufmerksam gemacht. Aus dem diesjährigen Weltflüchtlingsbericht „Global Trends“ des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 12. Juni geht hervor, dass sich Ende April 2025 weltweit rund 122,1 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Verfolgung befanden.
Zum Vergleich: 2023 sprach man noch von rund 80 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Hauptursachen für die weltweiten Fluchtbewegungen waren danach bewaffnete Konflikte, insbesondere im Sudan sowie in Myanmar und der Ukraine. Die Zahl der außerhalb ihres Herkunftslandes Schutzsuchenden betrage rund 43 Millionen und die der Asylsuchenden 8,4 Millionen. Einen deutlichen Anstieg verzeichneten die Autorinnen bei der Zahl der Binnenvertriebenen um 6,3 Millionen auf 73,5 Millionen. Die Zahlen würden darlegen, dass die Mehrheit der Schutzsuchenden innerhalb des eigenen Landes oder in benachbarten, oft ärmeren Ländern Schutz suche – nur ein Bruchteil gelange nach Europa. In Deutschland sei 2024 die Zahl der Asylsuchenden mit 250945 sogar um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken.
Positiv hebt das UNHCR hervor, dass im Jahr 2024 fast zehn Millionen Vertriebene in ihre Herkunftsregionen zurückkehren konnten, darunter 1,6 Millionen Flüchtlinge sowie mehr als acht Millionen Binnenvertriebene. Allerdings seien viele dieser Rückkehrbewegungen unter unsicheren und oft instabilen Bedingungen erfolgt. So kehrten viele Afghaninnen beispielsweise aus dem Iran unter Zwang in ihr Heimatland zurück. Angesichts dieser Zahlen ist es aus meiner Sicht beschämend, welche Anstrengungen der deutsche Staat und die Europäische Union unternehmen, um Flüchtlinge von Europa fernzuhalten. Menschen sollen möglichst gar nicht mehr in Europa einreisen. Die, die es dann doch schaffen, sollen sich nicht willkommen fühlen. Unterbringung in großen Lagern an den Außengrenzen Europas oder auch in unserem Land, ausgesetzter Familiennachzug selbst bei Menschen, die einen Aufenthalt bekommen, das sind nur einige der verschiedenen Abschreckungsmaßnahmen. Hinzu kommt eine gesellschaftliche Atmosphäre, die es den Migrantinnen und Migranten in unserem Land nicht leicht macht. Rassismus ist auf der Tagesordnung. Migranten sind für viele Menschen hier die Schuldigen für eigene Probleme, denn es sucht sich immer leichter die Schuld bei anderen. Ein „klares Feindbild“ wird durch die Medien noch verstärkt. Wir lehnen uns immer mehr der Strategie Dänemarks und Schwedens an, die keine Asylbewerber mehr haben wollen und alles dafür tun, Menschen abzuschrecken und wieder aus dem Land zu treiben. Dabei reden wir noch immer vom Menschenrecht auf Asyl, einem verbrieften Recht, das niemals ausgehebelt werden darf!
In der Ausreise- und Perspektivberatung in unserer Fachstelle mehren sich seit dem letztem Jahr die Anfragen nach Ausreise, weil man in Deutschland nicht Fuß fassen kann. Menschen fühlen sich nicht willkommen, kommen nicht wirklich an, Frauen können aufgrund fehlender Kinderbetreuungen nicht Deutsch lernen und nicht arbeiten, oder sie sind über Jahre getrennt von der Familie und gehen deshalb lieber in unsichere Verhältnisse zurück. Das ist eine Entwicklung, die nicht nur mich als langjährig in der Flüchtlingsarbeit Tätige traurig und wütend macht. Deutschland gehört zu den reichsten Ländern der Welt und spart an denen, die nichts haben. 115 Milliarden Euro gaben die Deutschen 2024 für Urlaub aus, 5 Milliarden wurden für wohltätige Zwecke gespendet, 9 Billionen Euro betrug 2024 das Privatvermögen der Deutschen, aber nur 1 Milliarde Euro betrug der Beitrag Deutschlands am Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen.Wir alle wissen, dass Hunger, Krieg und Verfolgung die Hauptursachen von Flucht sind.
Um sich diesen Wahnsinn in Zahlen und Diagrammen vor Augen zu halten, empfehle ich die Analyse zur Steigerung der Militärausgaben und Kürzung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und Hungerbekämpfung mit dem Titel „Wofür kein Geld vorhanden ist“ von Ladislaus Ludescher, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie assoziierter Wissenschaftler an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg auf unserer Homepage (www.fachstelle-eine-welt.de).
Katja Jähnel. FOTO: GÜNTER MYDLAK