Herne. Viele Menschen vereinsamen, vor allem, wenn sie mit zunehmendem Alter Menschen aus ihrem Umfeld verlieren – aus der Familie, dem Freundeskreis, der Nachbarschaft oder der Gemeinde. Aber es gibt auch Menschen, die sich freiwillig aus der Gemeinschaft zurückziehen und die Einsamkeit suchen.
Beim interreligiösen Dialogabend im November in der Volkshochschule Herne wurden diesen Erfahrungen nachgespürt. Teilnehmende berichteten von ihren Erfahrungen mit Einsamkeit in bestimmten Lebensphasen – auch schon in der Pubertät: Man fühle sich isoliert, nicht zugehörig, missverstanden. Einsamkeit führe dann zu Verzweiflung.
Pfarrerin Katharina Henke, die als Islambeauftragte des Kirchenkreises Herne den Abend moderierte, fragten die Beteiligten nach religiösen Vorbildern, nach Ritualen, Gedanken, die stärken können. Pastor Nils Petrat von der katholischen Gemeinde St. Dionysius erinnerte an die Wüstenväter und -mütter: „Schon in der alten Kirche zogen sich Menschen zurück, um sich so intensiver den eigenen Gedanken stellen zu können und mit Gott im Austausch zu sein“, sagte er. „Auch Jesus, der doch ein Menschensammler war, hat sich immer wieder der Menge entzogen, um Zwiesprache mit seinem Vater zu halten.“
Der Islam betone, dass der Mensch Beziehung zu anderen Menschen braucht. „Im Gebet stehe ich zwar allein vor Gott – und bin doch zugleich verbunden mit der Gemeinschaft der Betenden“, erläuterte Hüseyin Inam. Dr. Michael Rosenkranz berichtete, dass es im Judentum weder Zölibat noch ein Klosterleben gebe – die Einsamkeit werde nicht gesucht. „Wir Juden diskutieren immerzu miteinander – über die Thora, Gottes Wort“, sagte er. „Die Vielfalt der Meinungen ist uns wichtig – ebenso, was gemeinsam geschieht – tanzen und feiern.“ Als hilfreich erlebten die Teilnehmenden des Abends Bewegung, Aktivitäten, Ehrenamt, Hobbies, Berührungen, Familienrituale: „Wenn ich angeschaut werde, man mir zuhört, fühle ich mich geborgen“, sagte eine. „Doch ich habe Angst davor, wenn ich meine aktiven Möglichkeiten im Alter verliere.“ Nils Petrat, der lange Studierendenseelsorger in Paderborn war, berichtete, dass die junge Generation in den digitalen Medien andere Treffpunkte aufsuche.
Im Austausch wurde deutlich: Eine Gesellschaft blüht auf, wenn Menschen sich füreinander verantwortlich fühlen, kleine Netzwerke bilden und Teilhabe ermöglichen. Es sei daher bitter, wenn das Leben aus den Stadtvierteln verschwindet. „Was ist, wenn Kirche, Bäcker, Bankfiliale, Café schließen?“ Dass Menschen hier erreicht werden, sei eine Aufgabe für alle Gemeinden. KH