Bukavu. Es herrscht Krieg im Ostkongo. Bukavu, Provinzhauptstadt des Südkivus, ist noch nicht in den Händen der Rebellen. Von dort erreichte mich heute ein Anruf, der auf die Lage der Stadt am Südufer des Kivusees aufmerksam machte. Dort geht das Leben noch (!) seinen einigermaßen gewohnten Gang. Geflüchtete aus dem Norden versuchen dorthin zu gelangen, was nur noch über den See möglich ist.
Goma, die Provinzhauptstadt des Nordkivu, 90 km nördlich von Bukavu, ist in die Hände der Rebellen der so genannten M23 gefallen. Diese vom Nachbarland Ruanda unterstützte und z.T. mit russischer Munition hochgerüstete Gruppe terrorisiert seit über drei Jahren die rohstoffreichen Gebiete im Ostkongo. Jetzt hat sie ihr Ziel erreicht und die Kontrolle über die Provinzhauptstadt übernommen. Diese Terrororganisation scheute sich bei ihrem Vormarsch auch nicht, UN-Einheiten anzugreifen. Folgerichtig hat die Bundesregierung erst einmal ihre Gespräche mit Ruanda über weitere Entwicklungszusammenarbeit auf Eis gelegt. Denn Ruanda ist in dieser Hinsicht vergleichbar mit Russland: Die Aggression gegenüber dem Nachbarland hat inzwischen unvorstellbare Dimensionen erreicht.
Dass andererseits die Demokratische Republik Kongo durch jahrzehntelange Misswirtschaft, Korruption und Machtmissbrauch auf nahezu allen Ebenen eine Angriffsfläche bietet, die einem Aggressor nichts entgegensetzen kann, darf in diesem Zusammenhang nicht verschwiegen werden. Kongolesische Soldaten sind in Flipflops und zerrissenen T-Shirts vor den Rebellen geflohen, um ihr Leben zu retten. Das sagt alles über den Zustand des Militärs. Die Lage in einer der an wichtigen Rohstoffen reichsten Gegenden der Welt ist schlicht zu komplex, als dass es einfache Antworten, geschweige denn Lösungen gibt.
Millionen sind derzeit auf der Flucht, verzweifelt versuchen sie, sich in den Städten in Sicherheit zu bringen, darunter Kinder und schwangere Frauen. Einige sind zum dritten oder vierten Mal vertrieben, während ihre Felder von anderen abgeerntet werden oder verkommen. Die Lebensmittelpreise explodieren, in einer der fruchtbarsten Gegenden des afrikanischen Kontinents verhungern Menschen reihenweise.
Die Partnerkirche des Kirchenkreises Herne, die Communauté Baptiste au Centre de l’Afrique (CBCA), müht sich um Kinder in den Lagern, um Hilfe für Kranke und Schwangere. Ihre Mittel sind aber sehr begrenzt. Dennoch versuchen viele, in der größten Not Zeichen zu setzen, Leben zu retten und zu helfen, wo sonst keine Hilfe mehr hinkommt. Das ist leicht gesagt, vor Ort aber schwer bis manchmal gar nicht umzusetzen. Diese Zeichen humanitären Denkens und Handelns dürfen wir aber nicht unterschätzen. Sie bringen Hoffnung in einer hoffnungslosen Lage, eine Botschaft des Friedens mitten im Krieg. Denn der Hintergrund, man muss es deutlich sagen, ist ein hasserfülltes gesellschaftliches Klima, dem sich in Goma kaum jemand entziehen kann, auch Mitglieder unserer Partnerkirche nicht. Schönreden hilft nicht.
Die Stadt Goma ist in die Hände Ruandas gefallen. Frieden sieht sie dennoch nicht, denn der Feind wird alles daransetzen, um auf fremdem Territorium an Einfluss und Macht zu gewinnen. Wir können uns kaum vorstellen, was es heißt, in dieser Lage Kirche zu sein. Unsere Partner sind aber mittendrin. Manchmal stimmt es, wenn wir sagen müssen: „Da hilft nur noch beten.“
Der ehemalige Geschäftsführer des Eine Welt Zentrums (jetzt: Fachstelle Eine Welt) des Kirchenkreises Herne, Pfarrer i.R. Martin Domke hat von 1990 bis 1995 im Kirchenkreis Bukavu im Ostkongo gelebt und gearbeitet. FOTO: GÜNTER MYDLAK
Die Communauté Baptiste au Centre de l’Afrique (CBCA) ist seit über 40 Jahren die Partnerkirche des Kirchenkreises Herne. FOTO: PRIVAT