„Der Blick über den Tellerrand war mir wichtig“

Herne. Livia Leichner, die Leiterin des Familienzentrums Dreifaltigkeit der Petrus-Kirchengemeinde Herne geht am Ende dieses Kindergartenjahres in den Ruhestand. Seit 1989 arbeitet die 64-Jährige hier – zunächst als Erzieherin, seit 2000 als Leiterin. Am Mittwoch, 15. Mai, wird sie in der Einrichtung an der Holsterhauser Straße 320 um 13.30 Uhr offiziell verabschiedet. 
„Ich freue mich auf meinen Ruhestand“, sagt Leichner, „auch wenn mir manches fehlen wird.“ In diesem Zusammenhang nennt sie zuerst ihr Team, mit dem sie stets vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. „Leitung hat für mich immer in erster Linie bedeutet, den Zusammenhalt im Team zu stärken“, so Leichner. „Wir konnten uns all die Jahre hier hundertprozentig aufeinander verlassen.“ Auch die Kinder werde sie vermissen, vor allem ihre Fragen oder Weisheiten. Ob es noch Dinosaurier gegeben habe, als sie klein war, habe eins wissen wollen. Ein anderer Dreikäsehoch habe ihr erklärt, dass es in jedem Fall besser ist schlau zu sein als stark: „Wer schlau ist, findet immer eine Lösung!“
Livia Leichner war immer auch der Blick über den Tellerrand wichtig. „Als Verantwortliche in einer Bildungseinrichtung müssen wir das doch vorleben“, sagt sie. Und so haben die Kinder der Einrichtung in der Coronazeit Bilder für die isolierten Menschen in Altenheimen gemalt oder die Familien haben Kisten für die Kriegsopfer in der Ukraine gepackt und den Transport organsiert. Und wenn sie etwas entdeckte, das im Kindergarten umgesetzt werden konnte, hat sie Kontakte geknüpft – dann wurde vom Kindergarten aus ein Heißluftballon gestartet oder die Kinder haben mit einem Mitarbeiter vom Naturschutzbund Vogelkästen gebaut.
Im Rückblick habe sich einiges verändert in den letzten 30 Jahren, so Leichner. „Angefangen habe ich hier in einem Team von sechs Erzieherinnen und einer Betreuungszeit von 8 bis 12 und 14 bis 16 Uhr“, erinnert sie sich. Betreut wurden damals 75 Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren – „vorausgesetzt, sie waren trocken.“ Später durfte dann ein Teil der Kinder über Mittag bleiben, mussten aber ihr Mittagessen mitbringen. „Seit 2006 sind wir das erste Familienzentrum in Herne – das bedeutet Betreuung und Bildung von 7 bis 16.30 Uhr inklusive Mittagsverpflegung.“ 
Aber auch die Kinder hätten sich verändert, „was nach meiner Beobachtung daran liegt, dass viele Eltern Probleme haben, Grenzen zu setzen“, so Leichner. „Die Erziehungsverantwortung wird gerne auf die Institutionen Kindergarten und Schule geschoben.“ Mehr Kinder als zu früheren Zeiten hätten deshalb beispielsweise Schwierigkeiten, sich an Regeln halten. Auf der anderen Seite werde oft unterschätzt, wie viel man Kindern zutrauen könne. Wichtig war Livia Leichner immer, jedes Kind auch seinen Eltern gegenüber wertzuschätzen, gerade dann, wenn sie ihre Kinder mit anderen vergleichen. „Gucken Sie auf Ihr Kind, es ist wunderbar, so wie es ist“, sagt sie ihnen dann.
Im Ruhestand freut sich Livia Leichner besonders auf Ruhe zu Hause, auf mehr Zeit – mit ihrem Mann Erich, mit Freunden, mit guten Krimis, zum Nähen oder für Reisen. Die gebürtige Wanne-Eickelerin ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder – einen Sohn (Sven) und eine Tochter (Annika), die auch seit einigen Jahren im Familienzentrum Dreifaltigkeit als Erzieherin arbeitet – und ein 18-jähriges Enkelkind.