Spagat zwischen Nähe und Distanz

HERNE – Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Kreuzkirchengemeinde im Gottesdienst zum Buß- und Bettag auf die Anwesenheit des CVJM-Posaunenchores verzichten müssen. Er war nicht mittendrin, aber trotzdem dabei – wenn auch „nur“ auf der Leinwand mit Einspielungen aus vergangenen Einsätzen, so dass die Gottesdienstbesucher die Musik der Bläserinnen und Bläser dennoch genießen konnte.

Pfarrerin Melanie Jansen beklagte das Fehlen des Chores ebenso wie die relativ geringe Besucherzahl, als sie von einer „verrückten Zeit“ sprach. Schließlich sei Christsein auf Gemeinschaft angelegt. „Und jetzt sind wir froh über jeden, der nicht kommt, damit es nicht zu viele werden“, sagte sie. „Gleichzeitig suchen wir nach Möglichkeiten, die Distanz zu durchbrechen.“ Neue Wege wie Online-Andachten, oder Online-Proben seien gute Möglichkeiten, aber wirkliche Nähe lasse sich so nicht herstellen. „Es ist wie ein Spagat, der nicht gelingen kann, weil die andere Seite zu weit weg ist.“

Diesen Spagat versuche Gott seit ewigen Zeiten. Die Vertreibung aus dem Paradies sei letztlich die Folge der Zerstörung der Gemeinschaft von Gott und Mensch. Durch Grenzüberschreitungen erzeuge der Mensch von Beginn an Distanz zu Gott, die dieser nicht hinnehme und stattdessen immer wieder die Nähe zu den Menschen suche. Besonders augenfällig sei dies an Weihnachten, wenn Gott in Gestalt eines Kindes mitten in die Welt komme. Am Buß- und Bettag lud Jansen die Gottesdienstbesucher in der Kreuzkirche wie an den Bildschirmen ein, ihr persönliches Verhältnis zu Gott zu hinterfragen. „Vielleicht finden wir in der Zeit der Distanzierung neue Wege, die Distanz zu Gott zu überwinden.“

Damit nahm sie Gedanken von CVJM-Geschäftsführer Holger Spies auf, der den Buß- und Bettag als einen Tag beschrieb, an dem es darum gehe, den Blickwinkel ändern – auf Distanz zum eigenen Ich zu gehen. „Mit Abstand können wir vielleicht Dinge anders bewerten – Fehler eingestehen, um Verzeihung bitten und mit unseren Mitmenschen ins Reine kommen.“ AR