„Lockdowns führen zu mehr Armut“

RUHRGEBIET – Mit der Online-Reihe „Ruhr Global“ bietet das Eine Welt Zentrum des Kirchenkreises Herne mit weiteren Eine-Welt Organisationen aus dem Ruhrgebiet eine neue Plattform zur Diskussion aktueller globaler politischer Themen. Der erste digitale Talk am 18. März fand zum Thema „Corona weltweit und globale Impfgerechtigkeit“ statt. Eine-Welt-Promotor Markus Heißler konnte über 100 Teilnehmende online begrüßen.

Die Zahlen sind erschreckend. 120 Millionen Menschen in 190 Ländern haben sich bisher mit Covid19 infiziert, 2,6 Millionen sind daran gestorben. Gerade in den ärmeren Ländern seien die Folgen dramatisch, so Professor Dr. Dr. Alexander Lohner von Misereor. „Lockdowns führen zu mehr Armut und Hunger und auch andere Krankheiten drohen wieder zuzunehmen, da beispielsweise mehr als 80 Millionen Kinder nicht rechtzeitig oder gar nicht gegen Polio und Masern geimpft werden können“, sagte er. Auch die Bildung leidet. Weltweit konnten 1,5 Milliarden Kinder wochen- und monatelang nicht zu Schule gehen. Der deutsch-niederländische Historiker Lutz van Dijk berichtete aus Kapstadt/ Südafrika, dass der Anteil der Bevölkerung, der unter der Armutsgrenze leben muss, seit dem Ausbruch der Coronapandemie von 50 Prozent auf 65 Prozent gestiegen ist. Alle Probleme des Landes wie Armut, Kriminalität, schlechte Gesundheitsversorgung hätten sich durch die Pandemie verstärkt.

Eine Einschätzung, die auch Anne Stickel für Kolumbien teilte, wo die Künstlerin in Medellin lebt. In Ihrer Nachbarschaft seien viele Menschen arbeitslos geworden und hätten ihre Wohnung räumen müssen. „Viele versuchen sich mit kleinen Jobs als Straßenverkäufer über Wasser zu halten, aber immer mehr Familien müssen auf der Straße um das Notwendigste betteln“, sagte sie. „Staatliche Hilfen kommen häufig nicht bei denen an, die es am nötigsten haben, sondern bei denen, die Beziehungen haben.“ Korruption und Vetternwirtschaft seien große Probleme im Land. Eine nationale Impfkampagne gebe es seit einem Monat, aber auch hier gehen die Impfungen häufig nicht zunächst an die Älteren und Vorerkrankten, sondern an die Menschen in der Hauptstadt Bogota oder privilegierte Personengruppen. „Privatunternehmen kaufen auf eigene Rechnung Impfdosen im Ausland um die eigenen Mitarbeitenden zu impfen.“

„Auch auf globaler Ebene sind die Impfungen ungleich verteilt. Die reichen Staaten haben sich überproportional viel Impfstoff gesichert, die internationale Impfallianz Covax ist unterfinanziert und fördert eher die Abhängigkeit der ärmeren Länder im Globalen Süden“, so Lutz van Dijk. Er fordert daher, dass die Impfstoffe keine Geschenke für die ärmeren Länder sein sollen, sondern dass es um Änderung der Strukturen gehen muss. „Die Länder des Südens sollen selbst in die Lage versetzt werden, die Gesundheit ihrer Bevölkerung zu gewährleisten.“ Ein erster Schritt wäre die Freigabe von Patenten für die lokale Impfstoffproduktion in der Coronapandemie. Die Veranstaltung „Corona weltweit – globale Impfgerechtigkeit“ gibt es in voller Länge auf Youtube zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=bvQtb5AKh7o&feature=youtu.be. PP