Flüchtlingsberater hatte Bock auf einen Halbtagsjob

„Kennst Du jemanden, der irgendwas Soziales studiert und Bock auf einen Halbtagsjob hat?“ – Diese Frage hat Pfarrer Harald Rohr, der damalige Geschäftsführer des damaligen „Informationszentrums Dritte Welt“ (dem heutigen Eine Welt Zentrum) im Kirchenkreis Herne, Mitte der 1980er Jahre Karl-Heinz Hoffmann (*1959) gestellt, als dieser mit ehemaligen Zivildienstleistenden auf alte Zeiten anstieß. „Wann soll ich anfangen?“ So lautete Hoffmanns Gegenfrage, die der Startpunkt seiner langjährigen hauptamtlichen Tätigkeit als Flüchtlingsreferent war. „Weil ich zu Studienzeiten und in einer einjährigen Arbeitslosigkeit nach dem Studium ehrenamtlich hier gearbeitet habe, komme ich auf mehr als vier Jahrzehnte – auch wenn die Rentenversicherung das anders sieht.“ In diesem Jahr begann nun der passive Teil seiner Altersteilzeit – auch wenn eine offizielle Verabschiedung wegen Corona noch auf sich warten lässt.

Nach dem Abitur im Jahr 1979 war Karl-Heinz Hoffmann erstmals im IZ3W beschäftigt – als Zivildienstleistender. Es folgten Studium der Erziehungswissenschaften in Essen, diverse Jobs, eine Indienreise, Arbeitslosigkeit, ehrenamtliche Tätigkeit im IZ3W – bis zu dem oben zitierten Treffen mit Harald Rohr, „der für mich wie ein zweiter Vater war“ (Hoffmann).

Dass er in der Flüchtlingsberatung der richtige Mann am richtigen Ort war, lag nicht nur daran, dass er was Soziales studiert hatte. Hoffmann kommt – als Sohn eines Polen und einer Ukrainerin mit deutschen Wurzeln – selbst aus einer Familie, die 1957 aus Polen geflohen war. „Das war schlimm für meine Eltern“, erinnert sich Hoffmann, „aber meine Mutter sagte immer: ‚Was die Polen uns angetan haben, das haben wir Deutsche vorher den Polen angetan.‘“

Rückblickend fallen Karl-Heinz Hoffmann viele positive Dinge ein, wenn er an sein Engagement denkt. „Die leuchtenden Augen von Flüchtlingskindern bei einem Besuch auf der Cranger Kirmes gehören dazu“, sagt er. „Außerdem freue ich mich, dass ich bei etlichen 100 Menschen dazu beitragen konnte, dass sie nun ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland haben.“ Dennoch freut er sich nun über seinen Ruhestand. „40 Jahre mit Biographien, die angefüllt sind mit Krieg, Mord und Totschlag, Vergewaltigung, Folter oder Genitalverstümmelung sind einfach genug.“ Gefragt nach dem Schlimmsten, was Karl-Heinz Hoffmann während seiner langjährigen Tätigkeit erlebt hat, nennt er den Suizid des sudanesischen Christen Thomas Emanuel Tout, der sich in der Weihnachtszeit 1993 im Herner Abschiebegefängnis das Leben nahm. „Bevor ich mich im Sudan zu Tode foltern lasse, möchte ich lieber eine christliche Beerdigung in Deutschland“, habe er gesagt. „Ich musste immer wieder an Touts Schicksal denken, wenn ich in die verzweifelten Augen von Menschen blickte, die trotz fehlender Perspektive in ihr Herkunftsland abgeschoben wurden.“ Karl-Heinz Hoffmann ist froh, dass Touts Grab als Erinnerungsstätte bis auf weiteres erhalten werden konnte.

Nun freut er sich darüber, in seiner Heimatstadt Castrop-Rauxel das Leben zu genießen, sich hier (im Fußballverein SuS Merklinde) und da (politisch bei den Grünen) zu engagieren, die eine oder andere Reise, etwa an die Ostsee, zu machen und sich um seinen Garten zu kümmern. AR