Ein Morgen – Zwei Kirchen

Herne. Die erste Kirchenführung der Kreuz-Kirchengemeinde nach der langen Corona-bedingten Pause am 17. Juli war ökumenisch angelegt. „Wenn zwei benachbarte Kirchen besucht werden, entstehen Fragen“, sagte Pfarrerin Katharina Henke, die für die evangelische Perspektive verantwortlich war. „Was ist in der einen so besonders und in der anderen vertraut oder fremd, wie kommt es zu den Unterschieden, liegt es an der Bauzeit oder eher an den Konfessionen?“

Anhand einer Zeitleiste führte die Krankenhausseelsorgerin in der Evangelischen Kreuzkirche zunächst die Geschichte des Kirchenbaus vor Augen. „Jeder Kirchenbau spiegelt die Zeit der Entstehung, die Glaubenswelt der Erbauer“, sagte sie.

Der katholische Pfarrer Georg Birwer erläuterte, wieso mit St. Dionysius ein Heiliger aus Frankreich zum Namensgeber der ersten Kirche in Herne wurde: „Missionare aus Franken hatten ihre ‚geistlichen Vorfahren‘ mitgebracht – zu den Heiden, denen die Verehrung der Ahnen wichtig war.“

Die alte Dionysiuskirche wurde Ende des 19. Jahrhundert abgerissen – als viele Menschen ins Ruhrgebiet strömten. Die Steine vom Turm dienten als Fundament für den größeren Neubau – die Kreuzkirche. Heute ist Dionysius der Namensgeber für die Katholische Gesamtgemeinde.  Die gen Osten ausgerichtete Kreuzkirche lädt ein, sich auf Christus hin auszurichten. Altar und Taufstein – und damit die beiden Sakramente Taufe und Abendmahl – sind durch einen roten Teppich verbunden, um den sich die Gottesdienstgemeinde versammelt.

Von der fast zeitgleich erbauten katholischen Bonifatiuskirche steht heute nur noch der Turm (mit Schuhgeschäft im Erdgeschoss). Der zurückgesetzte, vor 50 Jahren eingeweihte, Neubau bildet einen harten Kontrast zur hellen, weiten Kreuzkirche. Die „Betonburg“ war gedacht als freier Marktplatz mit Laternen und Stühlen und einem Altar in der Mitte, um den sie die Gemeinde sammeln kann. In dem Bau sollte so die Aufbruchsstimmung, die das Zweite Vatikanische Konzil verbreitet hatte, umgesetzt werden. Doch das Konzept wurde nicht konsequent durchgehalten. Nach und nach rückte das Alte, Vertraute in die klar und nüchtern gestaltete Kirche. „Heute zeigt der Kirchraum sich in der Grundspannung zwischen Reformwillen und dem Drang zurück zur Tradition“, so Birwer. In dieser Spannung, darüber waren sich Henke und Birwer einig, stehen heute beide Kirchen, was bei allen notwendigen Zusammenlegungen oder Umstrukturierungen deutlich werde.

Das leuchtende Mosaikband an den Wänden der Bonifatiuskirche zeigt einen Weg durch die Heilsgeschichten des Alten und neuen Bundes. „Hier kann man versinken, staunen, entdecken und die eigene Geschichte herauslesen.“ In der Mitte blickt auch in dieser Kirche der wiederkommende Christus den Gläubigen entgegen. KH