Der Nikolaus macht keinen Urlaub

WANNE-EICKEL – Den schwarzen Gürtel über dem roten Mantel festgezurrt und den weißen Rauschebart zurechtgerückt, atmet Rüdiger Nickel noch einmal tief durch. Dann schnappt er sich seinen mit Mandarinen beladenen und mit Tanne geschmückten Wagen und öffnet die Stationstür. „Hohoho“, hallt es über den Krankenhausflur. Kein Zweifel: Es ist Nikolaus. Auch im Evangelischen Krankenhaus Wanne-Eickel.

Für Rüdiger Nickel ist es ein ganz besonderer Tag. Schon im neunten Jahr gibt er den Nikolaus, um den Patienten einen Besuch abzustatten – und ihnen damit eine kleine Freude zu machen. Mal bringt er nur eine Mandarine vorbei, mal verweilt er am Krankenhausbett, schüttelt Hände und spendet tröstende Worte. „Wenn man das schon macht, sollte man sich auch Zeit nehmen und nicht einfach durchrennen“, findet der 63-Jährige, der auch für die Pflegekräfte schokoladene Überraschungen im Gepäck hat.

Eigentlich hatte der Haustechniker noch Urlaub. Doch Nickel ist mit seinen blitzblauen Augen und der stattlichen Figur wie gemacht für den Nikolaus-Job. Und so ist es für ihn Ehrensache, auch an diesem Urlaubstag seine Arbeitskleidung gegen das leuchtend rote Kostüm zu tauschen. Zumal es in diesem Jahr auch für ihn etwas ganz Besonderes ist. Es ist – zumindest offiziell – das letzte Mal, dass der 63-Jährige mit einem Engelchen an seiner Seite, diesmal gespielt von Susanne Spitzka, durch das EvK an der Hordeler Straße zieht. Denn Ende Juli, nach dann 30,5 Jahren in der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft, verabschiedet sich der Haustechniker in den wohlverdienten Ruhestand.

Freilich nicht, ohne dann auch noch einmal an seine Nikolaus-Zeit im Haus zurückzudenken. „Beim ersten Mal hatte ich richtig Bammel“, gesteht Nickel und schmunzelt. Auch heute noch gehört etwas Lampenfieber für ihn dazu. „Nach den ersten drei Zimmern ist das aber weg“, sagt er. Was bleibt, sind hingegen die Geschichten, die ihn auch bis in den Feierabend begleiten.

Etwa die eines Patienten, der ganz betrübt dreinschaute, als Nickel mit seinem Engelchen das Zimmer betrat. „Er hatte genau vor einem Jahr sein Bein verloren“, erinnert sich der 63-Jährige noch gut. Und auch daran, wie ihm eben jener betrübte Patient etwas später auf Station noch einmal begegnete – und mit einem Lächeln im Gesicht zuwinkte. Oder die Geschichte einer türkischen Familie, die sich gerade um einen Patienten versammelt hatte und ganz entzückt vom Nikolausbesuch war. „Wir wurden so herzlich aufgenommen, haben zusammen Kekse gegessen und Fotos mit den Enkeln gemacht, eine schöne Erinnerung“, erzählt Nickel – und seine Augen leuchten in diesem Moment so wie die eines manchen Patienten bei seinem Besuch. JF